Wirbelstürme und Überschwemmungen haben die südliche Region Brasiliens vor allem seit 2023 heimgesucht. Der außertropische Wirbelsturm im Juni 2023 machte 16.000 Menschen obdachlos und forderte 16 Todesopfer. Im September 2023 führte eine weitere große Klima- und Umweltkatastrophe zu 25.000 Obdachlosen und 54 Todesopfern. Ende April bis Anfang Mai 2024 hat Rio Grande do Sul eine der schlimmsten Klimatragödien in der brasilianischen Geschichte erlebt. Die Überschwemmungen haben bereits 177 Todesopfer gefordert (Stand: 16.06.2024), mehr als 130 Menschen werden vermisst, 374 sind verletzt, 344 Gemeinden und mehr als 850.000 Menschen sind betroffen. Die Situation ist besorgniserregend, wenn man die Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung des Bundesstaates, die Folgen für die brasilianische Wirtschaft und die Betroffenen bedenkt. Teure Lebensmittel Rio Grande do Sul ist weltweit einer der größten Produzenten von Soja, Reis, Weizen, Mais und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen in Brasilien. Deshalb sind wirtschaftliche Einbußen wahrscheinlich: Wenn die Ernten durch Überschwemmungen (und andere klimatische Ereignisse) geschädigt werden, sinkt das Angebot an diesen Nahrungsmitteln. Bei einem erheblichen Rückgang der Produktion im Bundesstaat Rio Grande do Sul, einem geringeren Angebot für den Inlandsmarkt und Auswirkungen auf die Exporte steigen die Preise für diese Produkte an. Gleichzeitig wird die Nachfrage höher, sodass die Preise zusätzlich steigen. Ein Anstieg der Lebensmittelpreise in einer von Ungleichheit geprägten Wirtschaft wie der brasilianischen hat tendenziell akute Auswirkungen vor allem auf die Wetterextreme Ernährungssicherheit in Rio Grande do Sul? TEXT: Débora Panis; Dr. Alexandre César Cunha Leite | FOTO: Ricardo Stuckert / PR – CCBY-SA 2.0 einkommensschwache Bevölkerung: Für sie ist der Zugang zu Lebensmitteln unter anderem aufgrund der hohen Preise ohnehin bereits schwierig und wird nun verschärft. Straßensperrungen Die Sperrungen der Straßen während der Überschwemmungen stellten eine Herausforderung für die Verkehrsinfrastruktur dar. Sie beeinträchtigten den Transport der landwirtschaftlichen Erzeugnisse aus den betroffenen Regionen zu den Verteilungszentren massiv. So wie die Einfuhr von Lebensmitteln und Spenden behindert wurde, konnten auch die regulären Produkte die Verbrauchermärkte nicht erreichen. Dabei handelt es sich nicht um eine kurzfristige Auswirkung, da der Transport über das Jahr 2024 hinaus beeinträchtigt sein wird. Da rund 75 Prozent der in Brasilien hergestellten Produkte auf der Straße transportiert werden, führen diese Hindernisse zu einem Anstieg der Transportkosten und treiben die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse erneut zusätzlich in die Höhe. Es ist mehr als deutlich, dass der Klimawandel ernsthafte Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit hat. Dazu gehören steigende Temperaturen und ihre Folgen, veränderte Niederschlagsmuster und -mengen, häufigeres Auftreten von Extremereignissen wie Dürren, Überschwemmungen, Hitzewellen, Wirbelstürmen und Zyklonen. Brasilien und andere weltweit wichtige landwirtschaftliche Erzeugerländer haben bereits Naturkatastrophen erlebt, die den Anbau von Nahrungsmitteln erschweren und die landwirtschaftliche Produktivität verringern. Außerdem haben die Folgen des Klimawandels schwerwiegende Auswirkungen auf Kleinerzeuger, die nicht über die Struktur oder ausreichende finanzielle Mittel verfügen, um mit derartigen Unwettern fertigzuwerden. Die Auswirkungen der Klimakrise auf die Ernährungssicherheit sind vielfältig und komplex. Sie betreffen die Produktion, die Verteilung und vor allem den Zugang und den Verbrauch. Sie wirken sich in der Regel auch auf den Export einiger Produkte aus und führen dazu, dass mehr importiert werden muss, um den heimischen Markt zu versorgen. Im Falle Brasiliens hat die Regierung von Jair Bolsonaro nicht mit strategischen Nahrungsmittelvorräten vorgesorgt, womit das Land die Folgen eines drastischen Produktionsrückgangs sogar kurzfristig hätte abmildern können. Im Krisenfall, wie nach der Überschwemmung in Rio Grande do Sul, 10
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