Der Ort Colonel Oviedo liegt 130 Kilometer östlich der Hauptstadt Asunción in Paraguay. Die Franziskaner unterhalten in der Kleinstadt seit 1962 eine Missionsstation. Vor über 20 Jahren bauten sie zudem am Stadtrand eine Schule für Kinder aus ärmlichen Verhältnissen. Die Schule »San Antonio de Padua« hat aktuell 410 Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen drei und 18 Jahren. Die verschiedenen Klassen vom Kindergarten bis zur Oberstufe werden von 44 Lehrkräften betreut. »Ein leerer Bauch hat keine Ohren!« Ganzheitlicher Schulunterricht in Paraguay In Paraguay tragen die Obstbäume bedingt durch das tropische Klima das ganze Jahr hindurch Früchte. Ebenso üppig gedeihen Gemüse und Getreide. Es wächst zu einigen Zeiten im Jahr so viel, dass die Früchte aus Mangel an Verarbeitung verrotten. Aber dennoch hat sich gezeigt, dass viele unserer Schulkinder schlecht ernährt sind. Kochkurse in der Schule Die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder und ihre schulischen Leistungen hängen sehr von ihrer Ernährung ab. Dabei geht es nicht nur um die Menge, sondern auch um die Qualität der Nahrung. Der Körper braucht besonders in der Entwicklung Vitamine, Spurenelemente, Kohlehydrate und genügend Eiweiß. Wenn ein Kind ohne eine ausgewogene Ernährung in die Schule kommt, hat es oft Konzentrationsstörungen und kann den Lernstoff schlechter aufnehmen. Für einige der Kinder ist das Mittagessen bei den Franziskanern die einzige Mahlzeit am Tag. Viele Eltern in Colonel Oviedo nehmen sich nicht die Zeit, die für die Zubereitung der Speisen zuhause notwendig wäre. Es gibt dann täglich Schnellgerichte aus der Mikrowelle. Oft haben die Eltern kein festes Einkommen. Sie sind froh, wenn sie ab und zu als Tagelöhner eine bezahlte Arbeit auf dem Bau oder in einer der Fabriken finden. Andere verdingen sich als Straßenhändler oder als Müllsammler. Das Schulprojekt zielt nicht nur auf die Bildung der Kinder ab, sondern auch gleichzeitig auf eine langfristige Verbesserung ihrer Gesundheits- und Ernährungssituation. Deshalb haben die Franziskanerbrüder beschlossen, an der Schule neben einer gesunden, täglichen Schulspeisung auch zusätzliche Kurse anzubieten. Darin geht es um gesunde und ausgewogene Ernährung und die entsprechend angepasste Zubereitung der Speisen. Die Angebote werden in den Unterricht integriert. Dazu gehört auch die Vermittlung von traditionellem Wissen über Naturheilkunde. Heute werden alle Schüler ab der fünften Klasse in der Zubereitung und dem Verarbeiten von Lebensmitteln sowie der Herstellung von Medikamenten und Reinigungsmitteln geschult. Lernen als Schlüssel Paraguay verfügt über eine reiche Pflanzenwelt. Viele dieser essbaren Pflanzen könnten in den kleinen Gärten der Familien angebaut werden und damit die Grundbedürfnisse decken. Wir ermutigen die Kinder, hier selbst einen wichtigen Beitrag für ihre Familie zu leisten und ihr Wissen an die Eltern und Nachbarn weiterzugeben. Viele Familien halten auch Hühner oder Schweine. Daher wird auch die Zubereitung von Fleischprodukten vermittelt. Wir legen vor allem aber Augenmerk auf pflanzliche Eiweißlieferanten. Die Kinder lernen unter anderem Brotbacken, die Verarbeitung der Avocado- und Mango-Frucht zu Saft, Eis oder Marmelade und die Herstellung von Tee durch die Blätter verschiedener Pflanzen. Wir zeigen, wofür Früchte wie Orange, Grapefruit, Guave, Süßkartoffel und Ananas verwendet werden können. Wir geben auch Anleitung in der Verarbeitung der Blätter des Mangobaums zu Arznei gegen verschiedene Krankheiten. Und natürlich wird die Zubereitung der regional beliebten Nachspeise »Dulce de Leche« aus Milch und karamellisiertem Zucker gelernt. Beides ist in Paraguay in Hülle und Fülle vorhanden oder zu günstigen Preisen erhältlich. Unser Schulprojekt basiert auf den drei Säulen Lehren, Lernen und Ernähren. Damit werden die Kinder und Jugendlichen nicht nur gebildet, sondern sie lernen auch, wie sie sich eigenständig gesund und ausgewogen ernähren. Manche Absolventen unserer Schule haben sich auch schon mit dem erlernten Wissen über Nahrung und Ernährung ein eigenes Geschäft aufgebaut. Beispielsweise durch den Verkauf von Fruchtsäften oder durch eine Eisdiele oder ein kleines Restaurant. Eine erste Einführung in selbstständiges Unternehmertum gehört deshalb auch heute zum Unterrichtsstoff in unserer Oberstufe. Der Schlüssel zu einer guten Zukunft ist die Liebe zum Leben und die Liebe zur Familie – aber auch eine gute Schulbildung und eine ausgewogene Ernährung. Der Autor Miguel Angel Caceres TOR ist Leiter der Schule »San Antonio de Padua« in Colonel Oviedo, Paraguay. Übersetzung aus dem Spanischen: Pia Wohlgemuth TEXT: Miguel Angel Caceres TOR | FOTOS: Miguel Angel Caceres TOR; Franziskaner Mission Miguel mit seinen Schülerinnen und Schülern beim Kochkurs 12 | 13
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