lung übernahm, hatte sie rund 3.000 Stücke. Heute hat sie 15.000 Exponate. Dieses Wachstum hatte einen permanenten Raumbedarf zu Folge, der sich in mehreren Erweiterungsbauten äußerte. Die Kehrseite der Baumaßnahmen war jedoch der Verlust einer linearen und übersichtlichen Ausstellungskonzeption. Inhaltlich kam es zu einer wesentlichen Akzentverlagerung in der Ausstellungsabsicht. Reinhard Kellerhoff legte einen großen Wert auf den Dialog der Religionen und ab Anfang der 1990er Jahre auf den Abbau von Vorbehalten und Vorurteilen gegenüber dem und den Fremden in Deutschland. In einer Hand Für die Sammlungsgeschichte war möglicherweise weniger entscheidend, dass ab dem Jahr 2004 die Ämter des Missionsprokurators und des Museumsdirektors getrennt wurden. Die Missionsverwaltung wechselte komplett nach Dortmund und ging in die Hände von Augustinus Diekmann ofm, während das »Forum der Völker« in Werl verblieb. Der wesentliche Unterschied war wohl vor allem, dass sich Reinhard Kellerhoff nun ausschließlich um das »Forum der Völker« kümmerte. Es ist ein Forschungsdesiderat, zu ermitteln, nach welchen Kriterien der Direktor seiner Sammelleidenschaft frönte. Faktum ist es, dass unter seiner Verantwortung auch Missionssammlungen anderer franziskanischer Ordensprovinzen, anderer Orden aber auch vieler verschiedener westfälischer Sammler den Weg nach Werl fanden. Zur persönlichen Tragik des durchsetzungsstarken und altgedienten Museumsdirektors gehört es, dass er zwar zum Provinzkapitel 2013 den Oberen signalisierte, einen Nachfolger einarbeiten zu wollen, es diesen Nachfolger aber wegen des Nachwuchsmangels der deutschen Franziskaner nicht gab. Noch bedrängender wurde die Lage, als ab 2015 feststand, dass die Franziskaner im Jahr 2019 Werl verlassen würden. Kurz vor seinem Tod 2022 erlebte Reinhard Kellerhoff noch, dass der in den Jahren ab 2016 entwickelte Rettungsplan für das komplette Museumsensemble scheiterte. Um das eigentliche Erbe zu retten, besannen sich die Verantwortlichen auf die notwendige gedankliche Trennung von Exponaten, Gebäude und Museumstätigkeit. In dieser Hinsicht haben wir es mit einer 120 Jahre alten Sammlung zu tun, die Exponate aus den verschiedensten Kulturkreisen in sich vereinigt, die aber im letzten Drittel ihrer Existenz ein enormes Wachstum erlebt hat. Das Besondere an ihr ist, dass sie – abgesehen von den Verlusten im Zweiten Weltkrieg – einfach immer weitergewachsen ist und dass der rote Faden der Objektzusammenstellung »Franziskanische Mission« beziehungsweise »Evangelisierung« ist. Das macht sie zu einem echten Fundus an materialen Archivstücken franziskanischer Missionstätigkeit im 20. Jahrhundert. Darüber hinaus vermag sie eine Geschichte von dem wechselhaften Kultur- und Religionskontakt zwischen Mitteleuropäern und dem restlichen Globus zu erzählen. Das ist zu trennen von dem Gebäude, das über die Jahre mit Reinhard Kellerhoff alt geworden war. Das ist weiter zu trennen von den vielfältigen, durch den langjährigen Museumsdirektor initiierten Aktionen, wie etwa der alljährlichen Krippenausstellung oder den »Werler Gesprächen«. Weil die Sammlung durch die Übernahme durch den LWL zukünftig in einer Hand bleibt und nicht zerschlagen werden muss, ist es grundsätzlich möglich, dieses Kulturgut ersten Ranges in seinem Zusammenhang zu beforschen. In den kommenden Monaten wird es darum gehen, die Sammlung so aufzubereiten, dass sie gut in die Obhut des LWL überführt werden kann. Der Autor Damian Bieger ist Franziskaner und Provinzbeauftragter für Geschichte und kulturelles Erbe der Deutschen Franziskanerprovinz. Er ist Seelsorger, hat aber zusätzlich im Jahr 2007 in Ordensgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts promoviert. Seit Juli 2023 arbeitet er als kommissarischer Leiter des »Forums der Völker«. Er lebt im Konvent Dortmund. Krippenausstellung | Chinamission | Ägyptische Mumie | Brasilianische Pfahlbauten 13
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