Ich hatte mich bei »Franziskaner Helfen« für einen Freiwilligendienst beworben. Als die Organisation mir mitteilte, dass meine Einsatzstelle bei »Estrellas en la Calle« in Bolivien sein wird, freute ich mich sehr über die Zusage. »Estrellas en la calle« heißt übersetzt »Sterne auf der Straße«. Dabei musste ich zunächst an den berühmten »Walk of Fame« in Los Angeles denken. Dass es für mich für ein soziales und gemeinwohlorientiertes Engagement aber nicht nach Hollywood gehen sollte, war mir schon klar. Für mich ging es nämlich zu den Armen in den Straßen Cochabambas. Nun arbeite ich schon seit neun Monaten bei »Estrellas en la Calle«. Die Geschichte, wie diese franziskanische Organisation zu ihrem Namen fand, finde ich persönlich sehr berührend. Mein Chef, Víctor Arellano, ein leitender Mitarbeiter, erzählte mir davon: »Wir wollten gerne mehr von den Menschen erfahren, die hier in Cochabamba auf der Straße leben. Was erleben sie tagtäglich? Womit sind sie konfrontiert? Was sind ihre Gefühle und Gedanken? Welchen Blick TEXT: Minh Tao Kipp | FOTOS: Maria Berger haben sie auf die Gesellschaft Boliviens und wie nehmen sie diese wahr? Und auch interessiert uns, als was sich diese Menschen identifizieren.« Víctor erzählte mir noch von einem Jugendlichen, der in der Organisation Zuflucht fand. Dieser hatte gesagt: »Ich wäre gerne ein Filmstar oder eine Berühmtheit, weil diese Menschen von der Gesellschaft anerkannt und geliebt werden, weil man ihnen zuhört, weil man sie schätzt und an sie glaubt.« Licht sein für andere Andere Jugendliche verwiesen auf das Licht, das ein Stern symbolisiert, und darauf, dass sie dann positive Dinge auf andere Menschen ausstrahlen können. Dies schien Víctor und seinem Team von grundlegender Bedeutung zu sein. Die Jugendlichen wollen nicht nur wegen des Geldes oder des Ruhms selbst wie Prominente sein, sondern sie möchten etwas Symbolhaftes und zutiefst Existenzielles zum Ausdruck bringen, das auf einen oft vergessenen Aspekt anspielt: das Licht, welches in ihnen existiert, welches sie trotz Widrigkeiten aufrechterhält und welches sie zum Beispiel zu einer Entscheidung bewegt, sich zu ändern. Leider kann dieses Licht durch mehrfache Erfahrungen von Gewalt, Misshandlung, Missbrauch und Vernachlässigung in verschiedenen Formen getrübt oder gefärbt werden. Vor diesem Hintergrund, dem Ziel und der Mission wurde dieser Einrichtung der Name »Estrellas en la Calle« gegeben und später durch den Zusatz »Acompañando Cambios con Compromiso« – zu deutsch »Veränderungen mit verbindlichem Einsatz begleiten« – erweitert. Eine Besonderheit des Projekts ist die konkrete Begleitung der Jugendlichen. Sie ist gerade dann unverzichtbar, wenn Veränderungen, wie Streiks und Straßenblockaden im Kampf um die politische Macht oder die wegen der hohen Inflation steigenden Preise für Grundnahrungsmittel, die Minh Tao Kipp wird von Kindern des Projektes »Fenix« willkommen geheißen. Sterne leuchten lassen Freiwilligendienst bei »Estrellas en la Calle« in Bolivien 26
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