Die gesamte Nothilfe war nur dank der Solidarität der Gläubigen der Franziskanerpfarrei São Raimundo Nonato möglich, deren Mitglieder Lebensmittel, Kleidung und Medikamente spendeten. Von vielen Freiwilligen kam auch Trost für die Flutopfer, die angesichts einer ausweglos erscheinenden Situation, für die es keine sofortige Lösung gab, sehr traurig waren. Alle, die hungrig und durstig waren und keinen Platz zum Schlafen hatten, erhielten eine Notunterkunft, Essen und medizinische Versorgung. Als alle Familien in ihre Häuser zurückgekehrt waren, besuchten der damalige Pfarrer und ich die Familien, um uns einen Überblick über die Situation nach der Flut zu verschaffen. Wir stellten fest, dass es nicht nur der Mangel an finanziellen Mitteln war, der den Familien und ihren Kindern zu schaffen machte. Viele Kinder und Jugendliche gingen nicht zur Schule und verbrachten ihre Zeit auf der Straße oder an den Gleisen der Stadtbahn. Wir wussten schon lange, dass diese Schwester Arli bei einem StoffmalereiKurs mit Kindern aus dem Projekt »Educar para Cidadania« Die Autorin Maria Arli Sousa Nojosa gehört zur Kongregation der franziskanischen Katechetenschwestern. Sie leitet im nordostbrasilianischen Teresina (Piauí) das Sozialprojekt »Educar para Cidadania«. Übersetzung aus dem Portugiesischen: Márcia Santos Sant‘Ana TEXT: Maria Arli Sousa Nojosa cf | FOTOS: Lukas Brägelmann ofm; Augustinus Diekmann ofm; Natanael Ganter ofm Kinder und Jugendlichen im Schulsystem als Herausforderung und Hindernis für den Rhythmus des Unterrichts angesehen wurden und dass die meisten Lehrkräfte nicht darauf vorbereitet waren, mit ihnen und ihrem Schicksal umzugehen. Es gab kein Verständnis für Unterschiede, es gab keine Konzepte zu einer integrativen Pädagogik. Die Schule als Institution sah Vielfalt nicht als etwas Positives an und gab am Ende den Schülerinnen und Schülern die Schuld und stufte sie als uninteressiert und faul ein. Um dieses düstere Bild vollständig zu ändern, wurde das Projekt »Educar para Cidadania« (Ausbildung zum mündigen Bürger) initiiert und der verantwortlichen Leitung der Basisgemeinde São Francisco vorgestellt. Praktisch alle Gemeindemitglieder und die gesamte Leitung genehmigten schließlich das Projekt. Man riet uns, finanzielle Mittel beim Bürgermeister zu beantragen. Leider wurde uns, scheinbar aufgrund fehlender Mittel, die Unterstützung verweigert. Trotzdem haben wir am 11. August 2009, am Fest der Heiligen Klara von Assisi, mit einem Alphabetisierungskurs für Kinder und Jugendliche begonnen. Mit Hilfe einiger Personen, die sporadisch spendeten, war es möglich, die jungen Menschen mit Lebensmitteln und Lehrmaterial für den Unterricht zu versorgen. Die Gruppe bestand aus Betroffenen im Alter zwischen zehn und 18 Jahren. Wir hatten auch einige Kinder unter zehn Jahren, die weder lesen noch schreiben konnten und Schwierigkeiten mit den vier Grundrechenarten hatten. Darüber hinaus hatten alle verschieden große Schwierigkeiten bei der Verbesserung ihrer Fähigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen. Heute dürfen wir stolz auf 15 Jahre unseres Kinder- und Jugendprojektes zurückblicken. Es ist ermutigend, dass Kinder aus der Zeit der Anfänge sich nun als junge Erwachsene und hoch motivierte Ehrenamtliche in der Leitung unseres Projekts einsetzen. Außerdem dürfen wir mit dem Engagement von mehreren älteren Wohltäterinnen aus der Stadt rechnen, die übrigens unsere Erfolgsgeschichte auch weitererzählen. Für unsere Pfarrgemeinde sind wir eine anerkannte soziale Pastoralarbeit. Auch in der Pandemie lief unsere Arbeit weiter. Hausaufgabenhilfe, Bewusstseinsbildung – vor allem auch im Umweltschutz – und zahlreiche Freizeitangebote haben bis heute viele Kinder von der Straße geholt und, nicht zuletzt durch psychologische Begleitung, die Würde ihres Menschseins verteidigt. Hinter dem Zentrum unserer Basisgemeinde steht uns ein geräumiger Hof zur Verfügung. Gott sei Dank konnten wir, mit Unterstützung unserer Partnergruppen aus Deutschland, einen größeren Teil des Hofes überdachen. Das war wirklich eine Sternstunde für unser Projekt! Jetzt sind alle in den tropisch heißen Tagesstunden vor der starken Sonneneinwirkung geschützt. Unter dem Dach können den ganzen Tag zahlreiche Aktivitäten stattfinden. Und hier feiert nicht nur das Projekt, sondern auch die Gemeinde schöne Feste, die die Geschwisterlichkeit unter uns fördern. Trotz erheblicher Anfangsschwierigkeiten des Projekts konnten wir bisher zahlreiche junge Menschen in eine bessere Zukunft entlassen, das heißt frei von Gewalt, von organisiertem Verbrechen, von Drogen und Prostitution. Ausgegrenzte werden so wieder in die Gesellschaft zurückgeführt, auch dank der konkreten und treuen Solidarität unserer Unterstützerkreise in Deutschland. Viele schon als erloschen geglaubte »Sterne« dürfen jetzt wieder leuchten. 33
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