Im Land des Herrn | 76. Jahrgang | 2022 - 4

4/2022 21 Jahren) an einen Juden zu verkaufen. In der Praxis (wir sprachen früher schon davon) bedeutete das zumeist die Bestimmung der Tochter zur späteren Ehe mit dem Käufer oder dessen Sohn. – Und schließlich konnte man Sklave durch Geburt sein: Die Kinder eines jüdischen Sklaven und der Frau, die ihm sein Herr gab, blieben Eigentum des Herrn, auch wenn ihr Vater freigelassen wurde. Für diesen Fall sieht jedoch das Mosaische Gesetz vor, dass der Mann sich zu lebenslänglicher Sklaverei entschließen kann, um seine Familie nicht zu verlassen. Vergleicht man die biblische Sklaven-Gesetzgebung mit der anderer Völker im Vorderen Orient, so muss man feststellen: Sie ist menschlicher als andere Gesetzbücher. Auch wenn der jüdische Sklave als „Vermögensstück“ seines Besitzers galt, war er gesetzlich gegen Missbrauch und Misshandlung geschützt. Schlug z. B. ein Herr seinem Sklaven ein Auge oder einen Zahn aus, musste er den Sklaven freilassen (vgl. Ex 21,26). Starb ein Sklave infolge von Schlägen seines Herrn, so wurde dieser bestraft (Ex 21,20). (Bei den Samaritern traf den Herrn in diesem Fall sogar die Todesstrafe!) Andererseits entging der Herr einer Strafe, wenn der Sklave noch ein oder zwei Tage lebte, denn „der Sklave ist sein Geld“, d. h. der Herr fügt sich selber Schaden zu (Ex 21,21). – Besonders human erscheint uns die Vorschrift, dass ein israelitischer Sklave nach sechs Jahren ohne weiteres freizulassen ist (Ex 21,2). Ein Israelit konnte also nicht für dauernd Sklave werden. Er konnte sich jedoch freiwillig (siehe oben!) zu lebenslanger Sklaverei entschließen. In diesem Fall wurde sein Ohr mit einer Ahle durchbohrt (und vermutlich ein Stift hineingesteckt); gelegentlich wurde ihm auch der Name seines Herrn eintätowiert (vgl. Ex 21,5 f. und Jes 44,5). Manchmal hat man den Eindruck, dass Sklaven wie „Kinder des Hauses“ gehalten wurden. Aus Jerusalem ist uns folgende Redensart überliefert: „Ist deine Tochter erwachsen, so lass deinen Sklaven frei und verheirate sie mit ihm.“ – Tüchtige Sklaven konnten übrigens Eigentum erwerben (auch durch Fund und Schenkung) und konnten auf dieseWeise (nämlich durch „Abzahlung“) ihre Dienstzeit verkürzen. Eine Bestimmung sei noch erwähnt, die von Predigern gerne am Gründonnerstag zitiert wird: Jesus wäscht seinen Jüngern die Füße, und er leistet ihnen damit einen Dienst, der als sehr erniedrigend eingestuft war; denn wir wissen, dass ein jüdischer Sklave (im Gegensatz zu einem heidnischen!) nicht zu diesem Dienst verpflichtet werden konnte. In seltenen Fällen (wenn kein anderer Erbe vorhanden war) konnte ein Sklave sogar seinen Herrn beerben. (Man vgl. Gen 15,2: Abraham äußert die Vermutung, das ihn Elieser, sein Verwalter und Sklave, beerben werde.) So bitter und die Menschenwürde verletzend es ist, als Eigentum eines anderen zu gelten, so war im Judentum das Sklavendasein durch die allen gemeinsame religiöse Überzeugung gemildert, dass letztlich kein Mensch „absoluter Herr“ ist, sondern dass alle „Sklaven Gottes“ sind und zugleich „Ebenbilder des Schöpfers“. Heidnische Sklaven Zur Zeit Jesu gab es in Israel vermutlich keine Industrien, die heidnische Sklaven in großer Zahl beschäftigten, aber in den vornehmen Häusern von Jerusalem (zu denken ist hier an die Hofhaltung Herodes dem Großen sowie an den Priesteradel) treffen wir auf eine zahlreiche Dienerschaft aus dem Ausland. Diese Sklaven und Sklavinnen waren entweder gekauft oder im Haus geboren. Die Sklavenhändler, die ihre Ware auf den Jerusalemer Sklavenmarkt brachten, dürften zumeist aus Phönizien gekommen sein. Die meisten heidnischen Sklaven im Besitz der palästinensischen Judenschaft stammten wohl aus Arabien (wie der hohepriesterliche Sklave Malchus, dessen Name auf das nabatäische Arabien verweist, vgl. Joh 18,10). In Abhebung vom jüdischen war der heidnische Sklave totales Eigentum seines Herrn. Er konnte keinen Besitz erwerben, was er erwirtschaftete, was er fand, was man ihm schenkte, was ihm als Schadenersatz zufiel: „alles, was sein ist, gehört seinem Herrn“ (wie eine Regel besagte) – einschließlich der Kinder. Wie jedes andeAußenseiter Außenseiter

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