Franziskaner - Frühling 2023

37 FRANZISKANER 1|2023 gerettet werden? für alle und erzeugten jene kreativen »Güter«, die den Gemeinschaftscharakter und den sozialen Zusammenhalt fördern. Im übertragenen Sinne produzierten sie aus christlicher Verantwortung, dem Evangelium folgend, Geschwisterlichkeit. Durch die Ablehnung des Geldes als Instrument der Kapitalanhäufung und ihre durch Arbeit Solidarität stiftenden Dienstleistungen waren die Minderbrüder gleichsam Aussteiger aus der Welt des sich etablierenden ökonomisch-religiösen Bürgertums. Das franziskanische Interesse an der Wirtschaft Dennoch waren die Minderbrüder in das Marktgeschehen aktiv involviert, und wer ihre Texte liest, wird erstaunt sein über die merkantile Sprache und den häufigen Gebrauch eines Wortschatzes, der aus der Welt der Kaufleute, Händler und dem beginnenden Bankengeschäft stammte. Das hat auch damit zu tun, dass die meisten Brüder aus Familien von Handwerkern, Händlern und Bankiers stammten und sie gleichsam die Sprache von zu Hause mitbrachten. Beim genaueren Lesen wird deutlich, dass sie der merkantilen Terminologie noch eine andere Bedeutung beimaßen, die ihrer neuen Identität als Minderbrüder entsprach. Ein typisches Beispiel dafür ist der Text eines franziskanischen Mysterienspiels, das wohl schon kurz nach dem Tod des Heiligen zwischen 1227 und 1230 geschrieben wurde und den Bund des Franziskus mit der von ihm zur Braut erwählten Herrin Armut schildert. Der original lateinische Titel dieses Werkes lautet »Sacrum Commercium«, was mit »der Heilige Handel« oder »der Heilige Tausch« übersetzt werden kann. »Commercium« bedeutet zunächst einmal den Austausch von Gütern und Waren. Der Begriff wurde dann auf eine religiöse Ebene gehoben und bekam eine andere Bedeutung. Der Handel oder Tausch wurde im Lichte des Bibeltextes von 2 Korinther 8,9 interpretiert: »Denn ihr wisst, was Jesus Christus, unser Herr, in seiner Liebe getan hat: Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen.« Mit diesem Bibelzitat wird auf die Tradition der griechischen Kirchenväter angespielt, die die Menschwerdung Jesu, die Inkarnation, als »Salutare Commercium«, als heilsamen Austausch interpretierten. Ein heiliger Handel, der von Gott zum Wohl der Menschen initiiert und vom Menschen durch ein ethisches und spirituelles »Unternehmen« mitgetragen und in einem Bund bestätigt wird. Indem Gott sich arm macht, macht er dem Menschen das Angebot, an heilsamen Dingen Johannes-Baptist Freyer OFM reich zu werden. Der Mensch begleicht den Handel durch ein moralisch und spirituell am Evangelium ausgerichtetes Leben. Da wird zwischen Gott und Mensch gleichsam ein »Heiliger Tausch/Handel« (Sacrum Commercium) geschlossen. In diesem Zusammenhang wird auch das Wort Ökonomie verwendet und von der »Ökonomie Gottes« gesprochen, die das Heil für die Schöpfung vorsieht. Die Lebensform des Franziskus bot für diese Darstellung ein überzeugendes Modell. Dieser heilige Handel oder diese »göttliche Ökonomie« stellte die Basis für ein ethisches Framework (Rahmen, Gerüst) dar, welches die Brüder als Prediger, Beichtväter und geistliche Begleiter dem Stand der Händler und Bankiers unterbreiteten. Diesen Berufen haftete der Geruch des Unmoralischen an. Das Problem war die ethische Rechtfertigung der neuen Handelsformen und des entstehenden Bankgeschäftes. Die brennende Frage war: Kann ein Kaufmann gerettet werden? Die offizielle Antwort des kirchlichen Lehramtes war negativ. Ein Kaufmann stand schon mit einem Fuß in der Hölle. Diese Berufsgruppen wurden zwar schnell reich, aber es fehlte ihnen an der gesellschaftlichen und kirchlichen Legitimation. Mit dieser existenziellen Problematik verbunden waren auch praktische Fragen des wachsenden multinationalen Marktes und nach Regeln für das Bankgeschäft, die mit ethischen Werten in Einklang gebracht werden sollten. Dies war eine Herausforderung an die Philosophen, Theologen, und Juristen unter den Franziskanerbrüdern, die zugleich Seelsorger des neuen Bürgertums waren. Ihr Bemühen konzentrierte sich auf drei Ebenen: a) den Kaufleuten einen moralisch anerkannten Platz in der Gesellschaft und der Kirche zu verschaffen; b) ethische Grundregeln eines funktionierenden Marktes zu erarbeiten und auch c) dem unmoralischen wirtschaftlichen Verhalten innerhalb der Kirche Einhalt zu gebieten. In dieser Konstellation war es gerade die eigene Distanz zum Geldgebrauch, zu Besitz und Eigentum durch das Armutsgelübde, was die Minderbrüder privilegierte, zu geeigneten Lehrern einer Theorie der Ökonomie auf der Grundlage von moralischen Prinzipien zu werden, die im Evangelium verankert waren.

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=