Franziskaner Mission 2 | 2020

Meeresspiegelanstieg Eine zweite gefährliche Entwicklung ist der Anstieg des Meeresspiegels aufgrund des Klimawandels. Da- durch wird beispielsweise das natürliche Geschehen im Mekong-Delta gestört, denn je höher der Mee- resspiegel steigt, desto mehr wird das Süßwasser zurückgedrängt. Außerdem spülen immer stärkere Taifune immer mehr Salzwasser ins Landesinnere und im Gegenzug auch einen Großteil der fruchtba- ren Bodenkrume ins Meer. Dies wiederum lässt den Meeresspiegel weiter ansteigen – ein Teufelskreis beginnt. Im Landesinneren wird der Reis, der viel Süßwasser zum Wachsen braucht, durch das einge- schwemmte Salzwasser geschädigt. Obstsorten an den Ufern und Süßwasserfischarten sterben. Den Menschen wird ihre Lebensgrundlage entzogen. Staudammprojekte Der von China forcierte Staudammbau ist ein wei- terer Faktor, der das Leben im Mekong-Delta stark beeinträchtigt. Die Projekte schaden der Artenviel- falt und dem Leben der Menschen, aber die vietna- mesische Regierung ignoriert all die beängstigenden Prognosen, die von unabhängigen Kommissionen erstellt wurden, und beugt sich stattdessen der Profitgier großer Konzerne. Als ich im Jahr 2017 zwei Monate auf der Flussinsel verbrachte, erzählten die Menschen mir vom zunehmenden Landverlust der Insel. China kontrolliert das Wasser durch die Staudämme, sodass es in unberechenbaren Zyklen fließt. In Zeiten, wo wenig Wasser kommt, sinkt der Wasserspiegel. Die Ufer trocknen aus. Die Folge ist: Felsstücke brechen ab und werden weggespült. Hinzu kommt der Sandabbau vom Flussgrund, der das Flussbett immer tiefer werden lässt. Der Boden an den Ufern löst sich mehr und mehr ab. Häuser am Rand des Flusses sinken ab und werden von der Wasserströmung weg- gerissen. Letztendlich wird die Insel von Jahr zu Jahr kleiner und die Menschen verlieren mehr und mehr ihren Lebensraum. Erste Schritte Früher reichten die natürlichen Wasservorkommen in Vietnam gut für Menschen, Tiere und Pflanzen. Aber die skizzierten Folgen der Monokulturen, des Klimawandels und der Staudammprojekte führen zu immer größeren Schäden. Deshalb braucht es gut organisierte und koordinierte Gegenstrategien, um vor allem die Wasserversorgung weiterhin zu gewährleisten. Es gibt zwar einige Seen in Viet- nam, deren Wasser bewusst von der Regierung für den alltäglichen Gebrauch geschützt wird, aber das reicht bei Weitem nicht aus, um allein den im- mensen Bedarf zum Beispiel der Monokulturen zu decken. Notwendig wäre vielmehr eine großflächi- ge Wiederaufforstung der abgeholzten Wälder. Erste vorsichtige Schritte werden im Mekong-Delta unternommen: Dort versucht die Regierung in Zusammenarbeit mit internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, den Meeresspiegelanstieg zu verhindern, indem sie Mangroven anpflanzt, die einen wirksamen Schutz gegen das Meereshochwasser bieten. Außerdem fördern die Mangroven eine stärkere Artenvielfalt. Auch Schutzmaßnahmen gegen die Wasserver- schmutzung durch die Industrie sollen ergriffen werden. Aber die Erfahrung zeigt, dass auch hier das Wissen ausländischer Fachleute dringend benö- tigt wird. Insgesamt wird in Vietnam immer noch zu wenig gegen den Klimawandel und für den Schutz von Umwelt und Menschen getan. Das Land definiert seine Erneuerung noch immer zu sehr über einen möglichst schnellen Aufbau von schädlichen Infrastrukturprojekten und die Nutzung profitabler Monokulturen. Dies geschieht auf Kosten der natür- lichen Ressourcen, der Flora und Fauna, der biolo- gischen Kreisläufe und der Lebensräume. Am Ende könnte die Frage stehen: Wo bleibt der Mensch? Der Autor Chi Thien Vu ist Franziskaner und Vikar der Gemeinden St. Franziskus und St. Bonifatius im Pastoralen Raum Dortmund-Mitte. Luftbild des schwimmen- den Marktes Cai Rang bei Sonnenaufgang: Boote, die Großhandelsfrüchte und -waren auf dem Fluss Can Tho River (Mekong- Delta) transportieren. 33

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=