Franziskaner Mission 3 | 2021

Häuser für Migranten Der mexikanische Staat versucht, den Migrations- fluss durch das Land in Richtung USA mit allen Mitteln anzuhalten und zu verhindern. Diese politi- sche Strategie ist für die Migranten gefährlich und eine echte Bedrohung. Die mittlerweile eröffneten Häuser für Migranten (»las casas del migrantes«) bieten, in Zusammenarbeit mit anderen Organi- sationen, Unterkunft, Verpflegung und vor allem auch Menschenrechtsberatungen an. Sie sind Teil eines Aktionsnetzes und handeln gemeinsam in Solidarität mit den Heimatlosen, bieten Schutz auf immer neuen Migrantenrouten und begleiten diese Menschen auch in ganz persönlichen An- liegen. Ziel ist es, einen gemeinsamen Einsatz für Respekt und Menschenwürde der Betroffenen zu garantieren. Was nun die Migranteneinrichtung »La 72« in Tenosique, Tabasco, und die anderen Häuser für Migranten in Mexiko angeht, reicht es nicht aus, den notleidenden Menschen die Arme zum Willkommensgruß auszubreiten. Ganz konkret ist es zum Beispiel nötig, die Fußwunden der Aus­ wanderer zu behandeln und zu heilen. Aber auch das reicht nicht aus. Wenn betroffene Menschen, zum Beispiel nach einem Überfall, in der Migran- tenherberge ankommen, müssen sie gehört und getröstet werden: »Lass es dir bei uns gut gehen! Gott segne dich auf dem Weg!« Eigentlich verlässt kein Mensch seine Hei- mat freiwillig. Fast immer handelt es sich um eine aufgezwungene Migration aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen. Es geht hier um gravie- rende Ungerechtigkeit und eine klare Menschen- rechtsverletzung. Kampf für Menschenrechte Die Franziskaner, wie zahlreiche andere Hilfsorgani- sationen, setzen sich für einen freien und gefahrlosen Transit der Migrationsgruppen durch Mexiko ein. Sie machen auf die tragische Situation der Betroffe- nen aufmerksam und helfen ihnen, für ihre Men- schenrechte zu kämpfen sowie ihre eigene Würde wahrzunehmen und selbst zu verteidigen. Den Fran- ziskanerbrüdern ist diese Bewusstseinsbildungsarbeit unter den Migranten sehr wichtig. So werden zum Beispiel Workshops zum Thema Menschenrechte und Gesellschaftsanalyse angeboten. Es sind Samen der Hoffnung für eine bessere Zukunft. Die Migranten sollen nicht Objekte von solidarischen Aktionen sein, sondern Subjekte der eigenen menschlichen, sozia- len und rechtlichen Interessen. Diejenigen, die zum Beispiel in der franziskanischen Herberge »La 72« Unterkunft erhalten, sollen diese Einrichtung nicht mehr so traurig verlassen, wie sie vielleicht gekom- men sind, sondern mit einem neuen Gefühl von Freiheit und Geschwisterlichkeit weiterziehen. Jesus selbst lädt dazu ein, das alltägliche Le- bensbrot für Andere zu sein. Damit erfahren auch die Franziskaner in Mexiko mit ihrem Engagement eine Art »neues Pfingsten«: Tausende von Menschen kom- men auch heute in die Migrantenherbergen, aus den verschiedensten Ländern Mittel- und Südamerikas, aus verschiedenen Völkern mit ihren eigenen Mutter- sprachen, mit unterschiedlichen religiösen Überzeu- gungen. »La 72« hat sich deshalb für Interkulturalität und Interreligiosität geöffnet. Wie damals in Jerusa- lem, wirkt der Geist des Herrn überall, wo und bei wem er will. Er zeigt sich auch in den Hoffnungsträu- men der Menschen, die sich in einem persönlichen »Exodus« befinden, die von einem neuen Himmel und einer neuen Erde träumen. Dabei können sie auf die treue Begleitung des Herrn als ihrem solidari- schen Bruder vertrauen. Der Autor Gabriel Alfredo Romero Alamilla lebt als Franziskaner in Mexiko und ist der Leiter der Migrantenher- berge »La 72« (Hogar – Refugio para personas migrantes). Übersetzung aus dem Spanischen: Joaquin Garay ofm Schutz in der Migrantenherberge

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