Franziskaner Mission 3 | 2021

Das Überleben für die Familien ist dennoch sehr schwierig, da die Erlöse aus ihrer Arbeit in die Taschen derer fließen, die das Land beherrschen. Die Kräfte, die heute regieren, sind die Gruppen, die am Rande des Gesetzes agieren und das Territorium sowie den Kokamarkt unter sich aufteilen. Das sind Guerillagrup- pen, zum Beispiel die Nationale Befreiungs- armee (ELN), die Volksarmee der Befreiung (EPL) sowie Überbleibsel der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens, der FARC. Es gibt auch noch die paramilitärischen Gruppen: die Pelusos und den Golf-Clan. Die Bevölkerung lebt notgedrungen von der Kokaproduktion und wird durch eine dieser Gruppen beherrscht. Immer wenn Konflikte zwischen den Gruppen aufbrechen, werden Häuser oder ganze Dörfer nieder­ gebrannt. Vom Staat erfährt die Bevölkerung keinerlei Unterstützung. Das Dorf Luis Vero hat äußerst schlechte Zufahrtswege, wenig öffentliche Dienstleistungen und eine unzureichende Sozial- und Gesundheitsversorgung. Auch das Bildungssystem lässt zu wünschen übrig. Dar- über hinaus gibt es keine staatlichen Institu­ tionen, die für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger garantieren könnten. Franziskaner in Luis Vero Unsere Gemeinschaft besteht aus fünf jüngeren Brüdern, die im Pfarrhaus von San Martin de Porres leben, das zur Diözese Tibu gehört. Hier ist der Hauptsitz der Pfarrei, zu der noch weitere 17 Dörfer im Gebirge von Catatumbo zählen. Einige dieser Dörfer kann man nur auf dem Maultier erreichen, was sechs bis sieben Stunden dauert. Das erinnert sehr anschaulich an die ersten Missionare aus Euro- pa vor circa 500 Jahren. In Zusammenarbeit mit der Diözese ist es Ziel der Brüder, alternative Projekte im Bereich landwirtschaftlicher Produktion und auch der Kultur anzubieten, um eine neue, lebenswürdige Art von Gesellschaft aufzubauen. So soll eine humane Gesellschaft den negativen Folgen der Kokainkultur entgegengesetzt werden. Die Franziskaner arbeiten im Geiste des hei- ligen Franz von Assisi. Sie kümmern sich um Kinder und Jugendliche und ihre Familien. Regionale Ent- wicklungsprojekte der Franziskaner sind Alternativen zum Leben mit Koka und Kokain: Musikschule »Paz y Bien« Wir möchten, dass Geigen, Gitarren, Klavier, Klarinetten und Trompeten in diesem Land erklingen, dass Kinder schöne Musik spielen und künstlerische Fähigkeiten erwerben können. Die Jugendlichen sollen mit der Welt der Kunst in Berührung kommen, statt von klein auf zusammen mit ihren älteren Geschwistern zu koksen. Viele dieser Kinder gehen morgens zu den Koka- feldern, um zusammen mit ihren Familien den Lebens- unterhalt zu verdienen. Unter den vorherrschenden Bedingungen haben diese Kinder keine Chance auf eine gesunde Kindheit. Ihre Träume drehen sich immer nur um Kokain und Geldverdienen, was natürlich illegal ist. PAZ–DNA: Friede als Erbinformation Die Sozialseelsorge der Diözese Tibu initiiert das Projekt PAZ-DNA, wo wir Franziskaner mitarbeiten. Wir vermit- teln unsere christlichen Werte. Darüber hinaus helfen wir bei der psychosozialen Betreuung von Kindern und Eltern, der Integration in den Familien und der Erzie- hung von Minderjährigen. Außerdem unterstützen wir Familien für ein angemessenes soziales Zusammenleben. Nutztierzuchtprogramm Sembradores de Paz Dieses Angebot haben wir mit einigen Familien der Pfarrgemeinde vorangetrieben. Es handelt sich um ein Projekt zur wirtschaftlich produktiven Selbstversorgung durch die Aufzucht von kleinen Nutztieren wie Mast­ hühner, Legehennen, Schweine und Fische. Jede Familie wählt etwas aus, was wir mit finan- ziellen Mitteln unterstützen, zum Beispiel Material für Zäune oder Tiernahrung. Wie sie mit den Tieren umge- hen sollen, lernen sie von Fachpersonal. Jeder, der an dem Programm teilnimmt, verpflichtet sich, nach der Aufzucht der Tiere und ihrem Verkauf – je nach Ertrag – den vorher empfangenen Betrag zurückzugeben. In den sieben Jahren, die wir in Luis Vero aus unserem christlichen Glauben heraus zusammen mit diesen Menschen leben, haben wir auch verschiedene Frie- densprojekte des Staates begleitet, die sich aus dem Friedensdialog zwischen der Guerilla (FARC) und dem kolumbianischen Staat im Havanna-Kuba-Vertrag ergeben haben. Unsere Friedensarbeit versucht, das soziale Ge- füge der Gemeinschaften wieder aufzubauen. Als Opfer des bewaffneten Konflikts in Kolumbien haben unsere Dorfbewohner den Anspruch, dass die wirtschaftlichen und sozialen Nachteile aufgearbeitet werden. Das ver- suchen wir im Sinne des heiligen Franziskus gemeinsam mit ihnen. Der Autor Luis Hernan Cobo ofm ist Pfarrer und Guardian in Luis Vero, Diözese Tibu, Region Catatumbo in Kolumbien. Übersetzung aus dem Spanischen: Alfons Schumacher ofm Der Pfarrer Luis Hernan Cobo ofm mit seiner Gemeindejugend vor dem Zentrum »Friedens-DNA Catatumbo«, unterstützt von der UN-Flüchtlingskommission UNHCR 27

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