Franziskaner Mission 3 | 2021

Las Posadas Herbergssuche in Mittelamerika Der Autor Joaquín Garay lebt in der Franziskanergemeinschaft von Mannheim und gehört zum Seelsorgeteam der Katholischen Kirchengemeinde Mannheim-Neckarstadt. »In dieser Zeit befahl der Kaiser Augus- tus, dass alle Bewohner des römischen Reiches namentlich in Listen erfasst werden sollten. (…) Jeder musste in die Stadt gehen, aus der er stammte, um sich dort eintragen zu lassen. Weil Josef ein Nachkomme Davids war, der in Betlehem geboren wurde, ging er von Nazareth in Galiläa nach Betlehem in Judäa.« (Lk 2, 1-5) Dieser Text bietet den biblischen Hintergrund für einen vorweihnacht- lichen Volksbrauch in Mittelamerika, dessen Ursprung im 16. Jahrhundert zu finden ist. Die Tradition der Beherber- gung (posadas) ist vor allem in kleinen Gemeinden auf dem Land sehr beliebt. Bis heute ist diese Herbergssuche in allen Ländern Mittelamerikas zu finden. Wie damals sind Maria und Josef als Figuren nach Betlehem unterwegs. Maria ist hochschwanger und sehr er- schöpft. Die Reise dauert neun Tage. Bei jedem Anbruch der Abenddämmerung muss Josef um Unterkunft für eine Nacht bei einer Familie vor Ort bitten. Bis zum Heiligabend werden Maria und Josef auf einer Tragbahre von Haus zu Haus getragen. In vorheriger Absprache mit einer Familie wird um Beherbergung gebeten. Die Figuren bleiben in diesem Haus über Nacht und werden am kom- menden Abend zur nächsten Familie gebracht. Ganze Familien, Nachbarn und Mitglieder der Gemeinde vor Ort tref­ fen sich in dem jeweiligen Haus. Ein anderer Teil der Anwesenden ist mit den Figuren Mariens und Josefs vor der Eingangstür und bittet um Unter­ kunft. In Form eines Dialogs wird zwischen draußen und drinnen ab- wechselnd gesungen: »Im Namen des Himmels bitte ich euch um Unterkunft, weil meine geliebte Frau nicht mehr laufen kann.« Zuerst wird die Unterkunft vehement verweigert. Nach einigen Strophen versteht die Familie endlich, dass es sich um die Mutter Gottes handelt, die das Jesuskind bald erwartet. Die Türen öffnen sich und Maria und Josef werden in diesem Haus mit der letzten Strophe herzlich begrüßt: »Kommt herein, heilige Pilger! Nehmt diesen ruhigen Ort. Obwohl diese Herberge einfach ist, biete ich sie euch von Herzen an.« Bei den Gastgebern wird nun zum Bei- spiel der Rosenkranz oder eine Novene gebetet und gesungen. Manche Gemein- den bieten einen kleinen Wortgottes- dienst an. Beim gemeinsamen Essen und Trinken klingt der Abend aus. Es ist für die Familie eine Ehre, dass sie für »die heiligen Pilger« Gastge- ber ist. Mit der Beherbergung zeigt sie sich menschlich und solidarisch mit Maria und Josef. 22 | 23

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