Franziskaner Mission 2 | 2022

Zunächst begann ich, mich allein für die Obdach- losen zu engagieren. Schnell konnte ich dann aber auch anderes Fachpersonal motivieren, sich dieser herausfordernden Aufgabe anzuschließen. Den Namen »Sterne in der Straße« gaben sich die Jugendlichen – Mädchen und Jungen – selbst. Sie sagten, dass sie auch Sterne seien, dass sie gleichermaßen gutes Licht für andere ausstrah- len können. Zusammen mit den Straßenkindern begannen wir, über ihre Situation nachzudenken und zu fragen, was sie mit ihrem Leben anfangen wollten. So konnten wir genau herausfinden, worin ihre wichtigsten Bedürfnisse bestanden, wie man auf sie eingehen und ihnen helfen konnte. Das ist auch heute noch unser Vorgehen. Die Kinder, Jugendlichen und Familien, die auf der Straße leben, nannten das Projekt am Anfang auch »Coyera«, was in der bolivianischen Sprache Aymara »Freund« bedeutet. Die Menschen wollten damit ihre Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass unser Team ihnen zuhört und sie nicht verur- teilt. Sie sollten sich selbst motivieren, ihr Leben zu ändern. Hieraus entwickelten wir einen Leitfaden für die Betreuung obdachloser Menschen mit Dro- genproblemen und anderen Schwierigkeiten. Es ist wichtig zu erwähnen, dass der Franziskaner Miguel Brems († Februar 2022) unser spirituelles Vor- bild war und uns bis zum letzten Tag seines Lebens unterstützte. Dank ihm begleitet uns die franziska- nische Gemeinschaft auf diesem langen Weg und teilt auch heute noch mit uns die Werte des Heiligen Franziskus, um die Schutzlosen und Benachteiligten zu erreichen. Durch die Corona-Pandemie hatte sich auch die Situation der Menschen auf der Straße verschlechtert. In den schlimmsten Zeiten – mit Ausgangssperren und Kontaktverboten – hatten sie keine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Sie mussten mehrere Tage lang ohne Essen auskommen und hungern. Aus Angst vor Ansteckung und vor Strafe wegen des Kontaktverbots hieß keine andere Hilfs- einrichtung die Menschen willkommen. Wir von »Estrellas en la Calle« kümmerten uns deshalb weiter um unsere Schützlinge und unterstützen sie auch während der gesamten Pandemie. Heute beschäftigt »Estrellas en la Calle« 14 Vollzeit- und vier Teilzeitbeschäftigte, die mehr als 800 Menschen auf den Straßen von Cochabamba betreuen. Auch in Deutschland helfen viele Men- schen mit großem Herzen und sozialem Engagement den Sternen auf den Straßen Boliviens. Die Stiftung »Estrellas en la Calle« (»Sterne in der Straße«) ist eine gesetzlich verankerte gemeinnützige Einrichtung, die seit 2005 in Cochabamba tätig ist. Ich habe diese Einrichtung gegründet, nachdem ich die Not der Kinder, Jugendlichen und Familien, die auf der Straße leben, gesehen habe. Nach den Sternen greifen Projekt »Estrellas en la Calle« in Bolivien TEXT: Víctor Hugo Arellano Soto | FOTO: Maurice Ressel Der Autor Víctor Hugo Arellano Soto ist Gründer und Direktor der »Fundacion Estellas en la Calle«. Er hat einen Abschluss in Erziehungswissenschaften und arbeitet derzeit an seiner Promotion. Übersetzung aus dem Spanischen: Pia Wohlgemuth Achtung der Menschenwürde – ein junger Bolivianer auf den Straßen von Cochabamba 15

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