Franziskaner Mission 3 | 2022

Gravierende Umweltfolgen wie die Ver- unreinigung von Böden und Gewässern durch Schwermetalle, die der Schlamm zurücklässt, kamen hinzu. Die von dieser Katastrophe betroffenen Bevölkerungs- gruppen entlang des Flusses leiden bis heute unter den Folgen. Die jähe Unterbrechung des Alltags durch Tod und Zerstörung, durch etwas Äußeres, das sich aufdrängt, bringt physische und psychische Gewalt mit sich, die es schwierig macht, positive Schritte wahrzunehmen. Angesichts einer plötzlichen Zerstörung von Leben kommt es zu einem starken Gefühl der Hilflosigkeit, das die Dynamik von all­ täglicher Normalität lähmt. Aber trotz so vieler Anzeichen von Hoffnungslosig- keit gibt es kleine Siege auf Seiten der betroffenen Menschen hier. Denn aus dem Schmerz erwächst eine Sehnsucht nach Geborgenheit und einer gemeinsamen Suche nach neuem Leben und Glück. Der Glaube eint Menschen in Gemeinschaftsinitiativen im schwierigen Ringen um Gerechtig- keit. Die Wiedererlangung der Fähigkeit zu lieben ist eine große Herausforde- rung, die zur Erkenntnis geführt hat, wie wichtig es ist, sich umeinander zu kümmern. Die Betroffenen lernen sich zu organisieren, um voranzukommen und sich nicht völlig von der Tragödie verschlucken zu lassen. Dabei gibt es unterschiedliche Wege, um die Würde zurückzugewinnen. Die betroffene Bevölkerung schloss sich zusammen und übte Druck auf das Unternehmen Vale aus. Vale erkannte ein breiteres Spektrum an Schäden von betroffenen Menschen im gesamten Paraopeba-Flussbecken an. Allerdings sah das Bergbauunterneh- men nur Todesfälle und Vermögensver- luste als Straftatbestand an. Dennoch erhielten immerhin mehr als 100.000 Betroffene wirtschaftliche Nothilfe. Von Anfang an unterstützte die Erzdiözese von Belo Horizonte, und mit ihr vor allem der Ortsbischof Dom Vicente Ferreira, die betroffene Region. Die ebenfalls vom Katastrophen-Verbre- chen betroffene katholische Kirchen- gemeinde engagierte sich für alle, die in soziale Not geraten waren. Spezielle Gebete und Gottesdienste fanden statt, um die Erinnerung an die Opfer leben- dig zu halten, um zu trauern und sich gegenseitig gewiss zu machen, dass das Leben stärker ist. Ein gemeinsamer Glaubensweg führt zu einem Netzwerk von Solidarität und tatkräftiger Unter­ stützung. Diese positive Erfahrung kann dann auch in anderen betroffenen Regionen helfen und letztlich die Hoff- nung retten. Das Gefühl der Solidarität wächst. Die Teilnahme der Betroffe- nen an Versammlungen, Aktivitäten, Demonstrationen und Protesten trägt zur Selbstorganisation der Menschen Eines der größten Katastrophen-Verbrechen gegen die Umwelt und Menschen Brasiliens liegt nun dreieinhalb Jahre zurück: der Bruch des Staudamms für giftigen Schlamm aus dem Bergbau in Brumadinho, im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais. Die zu Tal rollende Schlammlawine verur- sachte den Tod von 272 Menschen und eine enorme Zerstörung der Natur sowie der Lebensgrund­ lage von Tausenden von Menschen. Wider alle Hoffnungslosigkeit Was ist eigentlich aus Brumadinho geworden? TEXT UND FOTO: Rodrigo de Castro Amédée Péret ofm Der Autor Rodrigo de Castro Amédée Péret ist Franziskaner und engagiert sich seit 1981 im franziskanischen Dienst für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. In den letzten zehn Jahren konzentrierte er sich auf das Thema Bergbau in Brasilien und weltweit. Übersetzung aus dem Portugiesischen: Augustinus Diekmann ofm bei. Das ist eine große Errungenschaft, wenn man bedenkt, dass es in der Region von Brumadinho wenig Erfahrungen mit Basisorganisationen gab. Und es sind bedeutende Schritte auf der Suche nach der Wiedererlangung menschlicher Würde und der Wiedergutmachung von aufer- legtem Leid. Ein Volk, das sich aufgrund erfahrener Solidarität aus so vielen anderen Gruppen, Organisationen und sozialen Bewegungen zusammenschließt, lernt neu zu hoffen, wider alle Hoffnungslosig- keit. Aber es bleibt ein mühsamer Weg zur Durchsetzung des Rechts sowie der Wiedererlangung des Selbstwertgefühls. Die Menschen wollen nicht als Opfer kapitulieren, sondern als Protagonisten ihres eigenen Lebens aus der Katastrophe hervorgehen. 26

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=