Franziskaner Mission 3 | 2022

Am 5. Juli 2022 ist Cláudio Hummes verstorben. Wir haben an der Toten- messe in der Kathedrale von São Paulo, am Morgen seiner Beerdigung, teilge- nommen. Am Ende des Gottesdienstes lud der Zelebrant die anwesenden Franziskaner und alle Gläubigen ein, sich um den Sarg mit dem toten Kardinal zu versammeln. Bruder Augustinus hat dieses Bild auf unnachahmliche Weise von der Kanzel aus festgehalten. Wir haben es in Brasilien oft gezeigt und oft davon erzählt. Hoffnung auf Gott »Vergiss die Armen nicht!« – Diese Auf- forderung wurde zu unserem Reise­ motto. Wir sind bei unseren zahlreichen Besuchen in vier brasilianischen Bundes- staaten (São Paulo, Mato Grosso do Sul, Piauí und Maranhão) vielen Menschen begegnet, die die Armen nicht vergessen haben, die sich engagiert und leiden- schaftlich für sie einsetzen. Viele Projekte haben wir besucht, die von der Franzis- kaner Mission unterstützt werden, viele Konvente und Brüder kennengelernt und viele franziskanisch geprägte Menschen. Die erste Station war São Paulo, die Riesenmetropole mit den vielen Pro- jekten des franziskanischen Solidaritäts- dienstes SEFRAS (»Serviço Franciscano de Solidariedade«). Von dort ging es in den Bundesstaat Mato Grosso do Sul, mit der Hauptstadt Campo Grande. Hierher hatte die ehemalige Franziskanerprovinz Thuringia vor mehr als 70 Jahren die ers- ten Missionare von Fulda aus entsandt. Daraus entstand die Franziskanerkusto- die, zu der auch Bruder Eurico Alves da »Vergiss die Armen nicht!« Dieses Wort des Kardinals und Franziskaners Cláudio Hummes stand für mich am Anfang meiner Brasilienreise. Fast vier Wochen war ich mit Augustinus Diekmann ofm in Brasilien unterwegs – meine erste Reise dorthin, für Bruder Augustinus eine Reise in seine zweite Heimat. Kardinal Hummes hat den zitierten Satz seinem guten Freund und Weggefährten Kardinal Bergoglio im Jahr 2013, unmittelbar nach dessen Wahl zum Papst, gesagt. Und dieses Wort soll ausschlaggebend gewesen sein für die Namenswahl »Papst Franziskus«. »Vergiss die Armen nicht!« Eindrücke einer Brasilienreise TEXT: Martin Lütticke ofm | FOTOS: Augustinus Diekmann ofm Silva gehört, der seit fast drei Jahren bei uns in Dortmund lebt. Die letzten beiden Wochen waren wir im Nordosten, in den Bundes- staaten Piauí und Maranhão. In diesem Teil Brasiliens durfte ich die Franziskanerpro- vinz von Bruder Augustinus kennenlernen. Das zweite für mich prägende Bild stand am Ende unserer Reise. Am letzten Tag in São Luís, direkt am Atlantik gelegen, haben wir das kleine Fischerdorf Raposa besucht. Und da lag es am Strand, das Boot mit der Aufschrift: »Esperanca em Deus« – Hoffnung auf Gott (siehe Seite 2). Würden wir mit diesem Boot aufs offene Meer hinausfahren? Stimmen der Solidarität Ja, Hoffnung auf Gott ist mir viel begegnet. Menschen, die diese Hoffnung ausstrahl- ten. »Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht«, lautet ein bekanntes Wort von Václav Havel (1936–2011, tschechischer Autor und Präsident). In allen Projekten, die wir be- sucht haben, war das zu spüren, egal ob Hauptamtliche oder die vielen Ehrenamtli- chen, egal ob jung oder alt: Die Menschen brannten für ihre Sache, für ihr Projekt. Sie waren gewiss: Das, was ich tue, hat Sinn, weil es den Menschen hilft, weil es den Armen hilft. Und dieses Vertrauen, diese Hoffnung war spürbar, gerade auch in schweren Situationen, bei schwierigen Lebensgeschichten. Franziskaner nehmen Abschied von ihrem Bruder Kardinal Cláudio Hummes 30 | 31

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