Franziskaner - Herbst 2022

heißen, sondern auch etwas anders ausgestaltet sind. Aus meiner Sicht kommt es jetzt nicht darauf an, dass diese synodalen Gremien in allen Diözesen identisch sind, vielmehr sollten wir uns auf die gleichen Kriterien einigen. Dann können auch unterschiedliche Verfasstheiten in den Diözesen weitergeführt werden, wenn sie sich bewährt haben. Was als großes Problem bleibt, ist die praktische Teilhabe: Wer hat noch Interesse und auch Freude daran, sich ehrenamtlich in synodalen Gremien zu engagieren, und wie gewinnen wir Katholik:innen dafür? Wir stehen derzeit an einemKipppunkt: Der anhaltendeMissbrauchsskandal, aber auch die verheerende Situation im Erzbistum Köln verschärfen nicht nur die Austrittswelle, auch viele bisher stark Engagierte ziehen sich zurück, wollen damit nicht identifiziert werden. Diesen Prozess werden wir auch mit einem gelingenden Synodalen Weg nicht völlig umkehren können. Aber wir können zumindest die Rahmenbedingungen verbessern, damit Menschen sichwieder in und für diese Kirche engagieren wollen und dies mit Freude tun. Dazu wird es aber nötig sein, dass jetzt die vorgeschlagenen Veränderungen auch wirklich stattfinden – in der Realität und nicht nur nach demMotto »Schön, dass wirmal drüber gesprochen haben«.Wenn die Hoffnungwieder entsteht, dasswirwirklich indieser Kirche gemeinsam etwas bewegenkönnen, unserenSendungsauftrag gemeinsamgestalten, dann kann auch wieder Begeisterung aufkommen, bei denen, dienochetwas für ihreKirchewollen.Dann lassen sich auch Leute bewegen und sagen »Okay, da investiere ich Zeit und Engagement«. Wenn sie aber das Gefühl haben, das ist eigentlich etwas, was nicht gewollt ist, was eher vergebene Liebesmüh ist oder wo sie als Ehrenamtliche über den Tisch gezogen werden, dann werden sich – so befürchte ich – noch sehr viel mehr engagierte Katholik:innen zurückziehen. Die vor allem im Forum »Macht und Gewaltenteilung« beschlossenen Veränderungen bedeuten ja auch einen Machtverlust für Bischöfe und in der Folge für die Kleriker insgesamt. Machtabgabe aber gelingt fast nirgendwo freiwillig. Was gibt Ihnen die Hoffnung, dass dies gerade in der katholischen Kirche gelingen wird? Ich glaube, kein Mensch gibt gerne Macht ab, wenn er nicht muss. Das würde ich von mir auch sagen. Und auch liberale Bischöfe, die grundsätzlich von der Gewaltenteilung überzeugt sind, sindwahrscheinlichnicht davor geschützt. Ich höre auch gelegentlich Argumente für die Erhaltung der Machtfülle, etwa »schnellere und für die ganze Kirche zu verantwortende Entscheidungsmöglichkeiten«, »die Verantwortung für das eigene bischöfliche Amt« oder auch »der GehorsamdemPapst gegenüber«. Letztlich setze ich aber auf kluge und vorausschauende Bischöfe, die wissen, dass sie ihre Macht nicht erhalten können, wenn sie sie jetzt nicht teilen. Damit sindwir wieder amAnfang des ganzen Synodalen Weges. Die Wörter Macht- und Gewaltenteilung hat damals keiner freiwillig in denMund genommen. Aber nach einer existenziellen Katastrophe wie die des umfänglichen sexuellen Missbrauchs durch Priester und Ordensleuteund seines jahrzehntelangenVerschweigens durch Kirchenleitungen, verbunden mit Täter- statt Opferschutz, den dieMissbrauchsstudie als strukturelles Versagen benannt hat, musste etwas geschehen, was Zukunft für die Kirche in Deutschland wieder neu ermöglicht. Da habeneinigeBischöfe verstanden: Um überhaupt noch irgendwas zu retten, müssen sie jetzt auch systemische Forderungen zulassen. Und das heißt auch wirkliche Macht- und Gewaltenteilung. Und unsere Aufgabe ist es jetzt, nach all den vielen Sitzungen unddemjahrelangenRingenundMiteinander-Sprechen, auchwirklicheMacht- undGewaltenteilung zubeschließen und in der Praxis umzusetzen. Ich hoffe und glaube, die große Mehrheit von Laien und Bischöfen in der Synodalversammlung hat erkannt, dass es jetzt nur noch mit echten Veränderungen möglich ist, den Sendungsauftrag als Kirche zu gestalten. Und dies ist auch gut biblisch und theologisch begründet. Ein Grund für diese Hoffnung sind für mich auch die Erfahrungenwährend dieses intensivenGesprächsprozesses des Synodalen Weges. Wir haben uns intensiv kennengelernt, und viele haben erfahren, dass diese Zusammenarbeit etwas positiv verändert hat: Die Kultur der Debatten und auch die Qualität. Und ich habe manchen Bischof oder Generalvikar erlebt, der sich wirklich intensiv in den Arbeitsgruppen auf die Arbeit eingelassen und auf Augenhöhemitgewirkt hat. Hinzu kamen die berührenden persönlichen Zeugnisse, die bei sehr vielen die Sichtweise auf einige der KonfliktthemenwiebeispielsweiseGeschlechteridentität, Pflichtzölibat oder die volle Teilhabe von Frauen verändert haben. »Kein Mensch gibt gerne Macht ab, aber …« 20 franziskaner 3|2022 Engagierte Diskussionen in den Pausen prägten die vierte Synodalversammlung vom 8. bis 10. September 2022 in Frankfurt amMain © maximilian von lachner – synodaler weg

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