Franziskaner - Herbst 2022

franziskaner 3|2022 32 Viehs, des Geldes und der Wertgegenstände; Zwangsarbeit und Zwangsumsiedlung. Diese »Vier-Schnitte-Strategie« wurde vor allem in den bewaffneten Widerstandsgebieten angewandt:Chin, Kayah-StaatenundSagaing- und Magwe-Divisionen. Da die Militärs die Städte verlassen und ihre Terrorkampagne auf ländliche Gebiete ausgedehnt haben, wo die Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung seltener registriert werden, sind es oft die Bauerndörfer, diedieBrutalität desMilitärs am stärksten zu spüren bekommen. Vergewaltigungen,Morde, Folter unddasNiederbrennen ganzerOrtschaften sindanderTagesordnung. Hunger als Kriegswaffe Überall, wo die Soldaten im Namen der »Räumungsaktion« hinkamen, haben sie Landminen verlegt, und viele Zivilist:innen starben, als sie versuchten, sich auf die Suche nach Grundnahrungsmitteln zu machen. Vielerorts, vor allem im Bundesstaat Chin, sindBinnenvertriebene undBewohner:innen der Gemeinden Mindat und Kanpetlet im südlichen Bundesstaat Chin mit Nahrungsmittelknappheit und steigenden Lebensmittelpreisen konfrontiert, weil die Junta die Zufahrtsstraßen blockiert und Zehntausenden von Menschen den Zugang zu humanitärer Hilfe verwehrt. Das Regime hat Lebensmittel beschlagnahmt, sodass die Binnenvertriebenen dort bereits hungern müssen. Die Erfüllung von Grundbedürfnissen wird für die Menschen in Myanmar zum Luxus. Was inMyanmar geschieht, sindsystematische Menschenrechtsverletzungen. Die Junta von Myanmar hat zwischen dem 1. Februar 2021 und dem 1. März 2022 landesweit über 6.000 Häuser der Zivilbevölkerung in 165 Orten in Brand gesetzt. Über 1.557Menschen, darunter mehr als 90 Kinder, wurden von der Junta ermordet, über 12.000Menschen wurden zu Unrecht verhaftet, 8.470befinden sich inHaft. Vielewurden gefoltert, undmehr als 490.000 Menschen wurden vertrieben, darunter 150.000 Kinder. Die Hälfte der Bevölkerung des Landes lebt in extremer Armut. Viele kriminelle Banden nutzen die Situation aus, die Menschen fühlen sich in ihren eigenen Häusernnichtmehr sicher. DasMilitärregime hat im ganzen Land Hunderte von Häusern beschlagnahmen lassen, derenBesitzer:innen verdächtigt werden, sich amWiderstand gegen die Militärjunta zu beteiligen. Stimme der Stimmlosen bei den UN Ich wurde von Franciscans International eingeladen, um über die Situation in meinem Heimatland zu berichten. Ich sah diese Gelegenheit als eine Einladung Gottes an. Obwohl ich ängstlich und besorgt war, nahm ich die Herausforderung an, die Diplomatinnen und Diplomaten der UN zu treffen. Ich konnte mit den Direktor:innen von Asia Forum, Caritas International und den Dominikanern für Gerechtigkeit und Frieden sprechen. Am selben Abend trafen wir uns online mit der mexikanischen und der chilenischen Delegation. Dann hatten wir die Möglichkeit, mit dem EU-Unterhändler und demMenschenrechtsrat für Myanmar, demUN-Sonderberichterstatter für Binnenvertriebene inMyanmar, dem Ständigen Beobachter des Heiligen Stuhls, der gambischen Delegation und einigen mehr zu sprechen. Später, beim Besuch in Rom hatte ich zudem die Gelegenheit, die australische Botschafterin beim Vatikan zu treffen. Ich war überrascht zu sehen, dass die meisten Delegierten und Diplomat:innen Frauen sind. Sie waren erfreut, Informationen aus erster Hand zu erhalten, und es war sehr ermutigend, da sie großes Interesse zeigten. Sie versprachen, dass sie diese Themen auf jeden Fall bei den UN zur Sprache bringen werden. Von einigen der Fakten erfuhren sie erst durch meinen Bericht. Ich habe den Eindruck, dass FI eine prophetische Rolle zukommen, indem sie die Stimme der Stimmlosen sind und Brücken für das Unmögliche bauen. Es gelang, dass Myanmar zumindest für den Moment weniger stark von der Welt abgeschnitten war. Viele Grausamkeiten und Leiden ereignen sich täglich in Myanmar. Da die Militärjunta die Kommunikation unterbunden hat, werden unsere Leiden von der Außenwelt meist nicht wahrgenommen. Dies war jetzt anders. Da FI viele Verbindungen und Einfluss in der ganzen Welt haben, wurden unsere Stimmen innerhalb weniger Tage von Vertreter:innen zahlreicher Nationen gehört. Ich nehme wahr, dass FI viel Geduld, Demut, Effizienz und kommunikative Fähigkeiten benötigen, um sich den wichtigen Personen bei den UN zu nähern. Der Herr hört den Schrei der armen Menschen aus Myanmar durch FI. Ich möchte all denen danken, die diese Gelegenheiten ermöglicht haben. Auch außerhalb des Landes, wie hier am 26. Juli 2022 vor der Botschaft von Myanmar in Bangkok, wird gegen die Militärjunta und für die Freilassung von Aung San Suu Kyi demonstriert © zumapress– picture.alliance.com

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