Franziskaner - Winter 2022

26 franziskaner 4|2022 Sieben Stunden Fahrt im ICE von Frankfurt am Main über den Berliner Hauptbahnhof nach Neustrelitz, einer kleinen Stadt in Mecklenburg-­ Vorpommern. ImRuhebereich des Zuges wird nicht geredet, man beschäftigt sichmit sich und nicht mit anderen. Ich komme am Bahnhof an, und mir fällt auf, dass ich an diesem Tag noch kein persönliches Wort mit einer anderen Person gewechselt habe. Am Bahnsteig steht ein Mann in Habit. Da wir uns noch nicht gesehen haben, bin ich im Vorteil und weiß sofort, dass das die Person ist, mit der ich die nächsten beiden Tage verbringen werde. Ich gebe mich zu erkennen, und Bruder Gabriel begrüßt mich freundlich. Fast bin ich überfordert von den vielen Fragen, die er an mich hat. Doch ich spüre sofort sein aufrichtiges Interesse, und so bin ich bereit, mit ihmmehr als Small Talk zu machen. Im nächsten Moment finde ich mich im Döner-Laden im Bahnhofsgebäude wieder. Wir essen und führen unsere Unterhaltung fort. Sie wird immer wieder unterbrochen, denn Bruder Gabriel spricht jeden an, der den zehn Quadratmeter großen Imbiss betritt. Die Reaktion ist immer gleich: ein kurzer Moment der Skepsis, eine verhaltene Antwort, weitere Fragen von Bruder Gabriel, und die Menschen steigen in das Gespräch ein. Es fällt sofort auf: Dieser Franziskaner hat eine heute seltene Eigenschaft oder vielleicht auch ein Talent, Menschen ohne jegliche Zurückhaltung anzusprechen. Dabei ist es egal, welches Geschlecht, Alter oder welche Hautfarbe die etwaigen Gesprächspartner:innen haben. – Jede Person ist eine Möglichkeit zum Dialog. Mit Gabriel Zörnig OFM imWohnmobil durch Mecklenburg– Vorpommern Lukas Neu franziskanisch un erwegs

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