Franziskaner Mission 2 | 2020

Der Autor Thomas Kruchem ist freier Journalist, Buchautor, Referent und Berater im Bereich der Entwicklungspolitik. Er erhielt viermal den »Deutschen Medienpreis Entwicklungspolitik« des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Wassernutzung Wir besuchen die Schneiderin Estefa Ramos. Sie lebt im Viertel Atalaya. Das gelb getünchte Häuschen der sechsköp- figen Familie ist umgeben von einem kleinen Garten, in dem Kartoffeln und Zwiebeln wachsen. Vom Hausdach führt ein graues Kunststoffrohr zu einem Betonsockel. Darauf stehen drei mitei- nander verbundene Kunststoffzylinder und ein schwarzer Tank. Darunter ein Betonbecken zum Wäschewaschen. Das Sammeln von Regenwasser habe eine lange Tradition bei den aus dem ländlichen Altiplano stammenden Ureinwohnern Boliviens, erklärt mir Guillermo Callisaya. »Wir von Red Habitat haben nur die Technik des Regensam- melns auf dem Dach verbessert, so dass Bewohner der Stadt jetzt problemlos Regenwasser in Bad und Haushalt benutzen können.« Die Tanks, berichtet Callisaya, stellten die Menschen in Work- shops gemeinsam her; desgleichen den vorgeschalteten dreistufigen Filter, der zunächst grobe Verunreinigungen aus dem Wasser entferne – und schließlich ganz feine Partikel. Estefa Ramos legt ein paar Blusen ins Becken und dreht den Wasserhahn auf. Gebrauchtes Wasser, sagt sie, fließe in die Toilettenspülung und bei Bedarf auch in die Bewässerung von Sträuchern und Gemüse im Garten. Indigene Tradition »Als ich von dem Projekt hörte, war ich gleich Feuer und Flamme«, sagt die junge Frau strahlend. »Ich hatte ja vorher schon Regenwasser aufgefangen – zum Putzen vor allem.« Jetzt habe sie genug Wasser zum Wäschewaschen, Geschirrspülen und Duschen, sagt Estefa. Und die Familie benutze inzwi- schen auch die Toilette im Haus. Das hätte sie früher nicht gemacht, weil das Wasser für die Spülung zu teuer war. In El Alto leben überwiegend Ureinwohner der Aymara. Das Mo- dellprojekt von Atalaya solle die bei ihnen verwurzelte Idee der Regenwas- sernutzung in die Stadt tragen, sagt Guillermo Callisaya. Das sei nachhal- tige Anpassung an den Klimawandel. Tatsächlich haben sich bereits etliche Nachbarn der Familie Ramos inspirieren lassen und auf eigene Faust Regen- auffanganlagen gebaut. Auch Boliviens Wohnungsbau- ministerium habe angebissen, erzählt Callisaya schließlich. »Wir haben einen Leitfaden, in dem wir die Technik de- tailliert erläutern, leitenden Mitarbei- tern des Ministeriums vorgelegt. Mit durchschlagendem Erfolg: Inzwischen installieren die Behörden bei ihren Haus- bauprogrammen im ländlichen Bolivien ganz ähnliche Anlagen.« Kleine landwirtschaftliche Höfe auf dem Altiplano Wassertank der Familie Ramos 22

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=