Franziskaner Mission 2 | 2021

mens- und Landverheißung für das Volk Israel. Danach wird die vierte Genera­ tion, Josef und seine Brüder, näher betrachtet. Josef kommt wegen seiner Brüder nach Ägypten, wo er schnell auf- steigt und zweiter Mann im Reich wird. Am Ende versöhnt er sich mit seinen Brüdern. Auch im Buch Exodus steht der Aspekt der Gemeinschaft im Mittelpunkt. Dort ist das zentrale Thema die Herausführung Israels aus Ägypten und seine Befreiung von fremder Unterdrückung. Durch eine genealogische Liste der Söhne Jakobs, die direkt am Anfang steht, wird die Wichtigkeit der Gemeinschaft und der Vorfahren betont. Aber nicht nur hier lässt sich eine solche Liste finden, sondern das gesamte Alte Testament ist davon durchzogen. Diese Tradition wird auch am Beginn des Matthäus-Evangeliums durch den Stammbaum Jesu aufgenommen. Der Auszug aus Ägypten unter der Führung JHWHs gilt als das Gründungsereignis Israels und des Gottesvolkes schlechthin. Deshalb leitet die Erinnerung daran auch den Dekalog ein: »Dann sprach Gott alle diese Worte: Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.« (Ex 20,12) Israel soll die Gebote JHWHs halten, weil er es aus Ägypten herausgeführt hat. Dieses Motiv wird immer wieder aufgegriffen, zum Beispiel in Lev 26,13 und Jos 24,17. Die Zehn Gebote sind die Grundlage für eine funktionierende Gemeinschaft und für unsere Menschenrechte. Gemeinschaftsregeln Im Buch Levitikus gibt JHWH seinem Volk eine Lebens- und Hausordnung, das Heiligkeitsgesetz. Hier werden grundsätzliche Verhaltensregeln im Umgang mit den Mitmenschen genannt: Nächs- tenliebe, Schutz von Schwächeren und Recht­ sprechung. Die Nächstenliebe ist zunächst nur auf das eigene Volk begrenzt, wird dann aber auf Fremde und damit auf die gesamte Menschheit ausgeweitet. Jesus nimmt im Neuen Testament darauf immer wieder Bezug. In der Tora wird ein übergreifender Zusammenhang deutlich: Das Volk Israel wird als Volk Gottes erwählt und in die Pflicht genommen. Gott tritt in ein beson- deres Verhältnis zu Israel und will in der Mitte seines Volkes wohnen. Aber auch Israel soll sich als heilig an Gott erweisen, so wie er sich an ihm als heilig erwie- sen hat. Die Liebe Gottes ist das Zentrum, begründet die Gebote und damit das Sozialgefüge Israels. Aus dem Gebot der Gottesliebe folgt direkt das Gebot der Nächstenliebe. Beide Gebote sind für Israel als heiliges Volk konstitutiv. In den anderen Büchern des Alten Testaments wird die weitere Geschichte des Volkes Israel erzählt. Damit liegt der Fokus weiterhin auf der Gemein- schaft. Im Neuen Testament hingegen geht es mehr um den Einzelnen, vor allem in den Evangelien, auch wenn sich mit den Jüngern eine kleine Gemeinschaft um Jesus herum bildet. In der Apostelgeschichte und der Briefliteratur verlagert sich der Fokus auf die Entstehung der christlichen Gemeinschaft und deren weltweite Ausbreitung. Der Autor Johannes Roth lebt als Franziskaner in Mannheim. 2020 promovierte er in alttestamentlicher Exegese. Am 22. Mai 2021 wurde er in der Franziskanerpfarrei St. Bonifatius zum Priester geweiht. 7

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