Franziskaner Mission 3 | 2021

Freiheit zu leben. Aber für die organi­ sierte Kriminalität ist das Leben sehr wenig wert. Auf unseren Fahrten durch das Territorium der Karipuna mussten wir uns oft im Wald verstecken, da wir immer wieder auf bewaffnete Eindring- linge trafen, die zu allem bereit waren. Viele Male konnten wir in den indige- nen Siedlungen nicht ruhig schlafen, da Schüsse und der Lärm anrückender riesiger Traktoren zu hören waren. All das raubte uns nicht nur den Schlaf, sondern auch das Gefühl von Sicher- heit. Unzählige Nachrichten hatten die Leute bereits erhalten: dass Dörfer von Eindringlingen völlig zerstört und alle getötet wurden, Häuptlinge und alle Dorfbewohner. Und wir erhielten Drohungen wie: »Warnen Sie diese Leute (die Missionskräfte). Wir wissen, wo sie leben und wo sie sich aufhalten!« Solch psychischer Druck raubt jedem den Frieden und die Ruhe. Einige mögen sich fragen, warum wir nicht bei Organisa­ tionen zum Schutz von Menschenrechts- verteidigern Hilfe suchen. Doch es ist unmöglich, in der aktuellen politischen Situation, in der wir in Brasilien leben, an Programme der Regierung zu glauben. Heute sind Menschenrechtsverteidiger ein leichtes Ziel für die organisierte Krimina- lität – nicht zuletzt, weil diese Gruppen ständig durch die Hassreden des Präsiden- ten legitimiert werden. Wir leben in einer Zeit, in der alle Aktionen zur Verteidigung des Amazonasgebiets und der indigenen Völker kriminalisiert und als Handlungen gegen die Souveränität des Landes ge- brandmarkt werden. Gemeinsames Haus Wir waren schon auf mehreren nationalen und internationalen »Bühnen«, auf der Suche nach Verbündeten bei der Verteidi- gung des Territoriums der Karipuna und aller indigener Völker im Amazonasgebiet. Wir wollen das »gemeinsame Haus«, wie Papst Franziskus es in seiner Enzyklika »Laudato Si« bezeichnet, verteidigen und schützen. Vielleicht kennen viele Leserin- nen und Leser meines Erfahrungsberichts Amazonien nicht persönlich und haben lediglich Informationen über die unver- gleichliche Schönheit und den exotischen Glanz des Amazonasgebiets. Es ist wahr, die Amazonasregion ist schön, reich und vielfältig. Aber sie gilt auch als ein sehr komplexes und zerbrechliches Umweltsys- tem. Um leben und überleben zu können, müssen Wälder, Tiere, Gewässer und vor allem die indigenen Völker respektiert werden. Schließlich sind alle Menschen guten Willens aufgerufen, Amazonien, unser Zuhause und einziger Wohnsitz, zu verteidigen und zu schützen. Die Autorin Laura Vicuña Pereira Manso , selbst vom indigenen Volk der Kariri, ist franziskanische Katechetenschwester. Nach ihrer Ausbildung in Anthropologie und indigenen Sprachen engagiert sie sich im Missionarischen Rat der Indigenen (»Conselho Indigenista Missionário«) vor allem für das Volk der Karipuna in der Region Rondônia. Au- ßerdem gehört sie zum Exekutivkomitee der von Papst Franziskus einberufenen Kirchenkonferenz Amazoniens (»Conferência Eclesial da Amazônia«). Übersetzung aus dem Portugiesischen: Augustinus Diekmann ofm Die franziskanische Katechetenschwester Laura Vicuña Pereira Manso, selbst vom Volk der Kariri, an der Seite der Indigenen im Amazonasgebiet 13

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