Franziskaner Mission 3 | 2021

»Schon wieder eine Frau als Kommen- tator? Ich schlafe ein.« Das ist einer der harmloseren und orthografisch berei- nigten Kommentare eines Shitstorms, der während der Herrenfußball-EM 2016 über das ZDF hereinbrach, als ein Spiel von der Sportjournalistin Claudia Neumann kommentiert wurde. Spätestens seitdem gilt als Binsenweisheit: »Hate speech« ist ein Massenphänomen von Gewalt im Internet, in das auch jugendliche Schü- lerinnen und Schüler – mindestens als unbeteiligte Beobachter, durchaus als Angefeindete und manchmal auch als Täter, als »Hater« – involviert sind. Dem tragen deshalb auch ak- tuelle Lehrpläne Rechnung. So fordert etwa der Kernlehrplan für das Fach Deutsch (Gymnasium G9), dass Schü- lerinnen am Ende der Sekundarstufe I »Chancen und Risiken des interaktiven Internets benennen und Konsequenzen aufzeigen (öffentliche Meinungsbil- dung, Mechanismen der Themenset- zung […], Persönlichkeitsrechte […])«, sowie »in der digitalen Kommunikation verwendete Sprachregister unterschei- den und reflektiert einsetzen« können. Von der Programmatik zur Pra- xis: Im Unterrichtsvorhaben »Digitale Medien und ihr Einfluss auf die Kom- munikation«, das etwa im 10. Schuljahr stattfinden kann, wird zum Beispiel mithilfe des eingangs angerissenen Shitstorms der Begriff »Hate Speech« eingeführt und das Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern über ihre Erfahrungen mit Hass und Gewalt im Netz gesucht. Nahezu jeder kann hier aus eigener Erfahrung berichten. Bei der Frage nach Möglichkeiten des Umgangs mit und der Reaktion auf Gewalt im Netz entwickeln die Schü- ler dann zunächst eigene gestufte ›Reaktions-Pläne‹, bevor sie diese mit öffentlich zugänglichen vergleichen. So  schlägt die Bundeszentrale für politische Bildung vier Reaktionsweisen (jeweils differenziert betrachtet und beurteilt) vor, die dann im Unterricht aufgegriffen und diskutiert werden: 1. Ignorieren 2. Melden und löschen 3. zur Anzeige bringen 4. Gegenrede (»Counter Speech«) durch Nachfragen, Problematisieren, Entlarven oder Ironisieren Bei allem steht immer die Perspektive der Opfer im Vordergrund, um durch Identifikation mit ihnen für ein reflek- tiertes Agieren und das Eintreten für Gewaltlosigkeit zu sensibilisieren. Doch freilich richtet sich unser didaktisch-pädagogisches Handeln nicht ausschließlich nach Curricula. Am Gymnasium Petrinum ist die Moderato- ren-AG die – auch schulprogrammatisch als solche benannte – Instanz gegen physische wie psychische Gewalt. Eine zentrale Säule ihrer Arbeit ist das Paten- Konzept, das einen Fokus auf Ausbil- dung eines respektvollen Miteinanders im Klassenverband und auf Gewaltprä- vention legt, aber auch gegebenenfalls mit eingreifenden Maßnahmen (digi- TEXT: Martin Willebrand          Partnerschulen gegen                        PETRINUM und CONASA  taler) Gewalt unter Schülern entgegen­ wirkt. So betreuen und begleiten Mitglieder der AG die Klassen jüngerer Schülerinnen und Schüler als Paten auf Ausflügen, betreuen sie auf Sportfesten, sind Ansprechpartner auf dem Schul- hof, arbeiten in ›Patenstunden‹ allein mit ihnen und kooperieren eng mit den Klassenlehrern. Ganz konkret ist etwa die Frage nach einem »verantwortungs- vollen Umgang mit Kommunikation in digitalen Medien« in einer der ersten Patenstunden der neuen Fünftklässler obligatorisch. Der Autor Martin Willebrand unterrichtet am Gymnasium Petrinum in Recklinghausen die Fächer Deutsch und katholische Religion. Daneben ist er verantwortlich für die Partner- schaft des Petrinum mit der CONASA-Schule in Bacabal, Nordostbrasilien, und leitet gemein- sam mit einer Kollegin die Eine-Welt-AG der Schule, die diese Partnerschaft mit Leben füllt. Weitere Infos: www.petrinum.de/schulleben/ arbeitsgemeinschaften/sport- gesundheit-und-gesellschaft/ moderatoren 24

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