Franziskaner Mission 3 | 2021

Schwester Pax und Bruder Zorn Wo Franziskus den Frieden wurzeln sieht Viele verbinden franziskanisch mit freundlich, friedlich und sanft. Franz von Assisi umarmt Aussätzige, lockt mit seiner Sanftmut Papst Innozenz III. vom Thron, geigt mit zwei Ästen singend durch den Wald und zähmt den mörderischen Wolf von Gubbio. Spülen solche Bildimpressionen wahres Menschsein nicht weich? Wurde der Bruder nie aggressiv? Wohin ging Franziskus mit unguten Emotionen? Und wie können allzu emotionale Menschen heute von ihm Friedfertigkeit lernen? Ein zorniger Franziskus Das Wort sagt es: Emotionen sind innere Bewegun- gen im Menschen, die ausgedrückt werden möch- ten. Nur wer Gefühle in Herz und Geist zulässt, kann auch mit ihnen umgehen. Wer sie bekämpft oder verdrängt, schädigt sich selbst und handelt so lebensfeindlich wie jene, die all ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Franziskus lernt, seinen Gefühlen Raum zu geben. Er lehrt seine Brüder zugleich, mit Emotionen gut umzugehen. Der junge Modeexper- te muss ein charmanter und geistvoller Mann ge- wesen sein. Sonst wäre er in Assisi kaum Festkönig der Jugend geworden. Dass der Heilige auch zornig werden konnte, zeigen Gefährtenberichte noch für die reifen Jahre. Berühmt sind zwei heftige Reaktio- nen des Wanderbruders aus seinen letzten Jahren. In Bologna weigert er sich das Haus zu betreten, das die Brüder in der Universitätsstadt erhalten hatten. Er zwingt selbst die Kranken, schleunigst auszu- ziehen. In der Portiuncula schleudert er die Ziegel eines Hauses, das die Stadt den Brüdern gebaut hat, wütend vom Dach. Heiliger Zorn hat Platz in der Nachfolge Jesu, dessen zornige Tempelräumung Händler aufrüttelte, die durch Worte allein nicht zu erschüttern waren. Zorn und Liebe Franziskus hält in dichten Weisungen fest, was Zu- sammenleben und inneres Reifen gelingen lässt. Das eine Wort über den Zorn gibt zu bedenken, dass Macht beansprucht, wer vorschnell über andere urteilt. In einer zweiten Weisung stellt Franziskus die Kraft der Geduld der Wucht des Zornes gegenüber: »Wo Liebe ist und Weisheit, da ist nicht Furcht noch Unwissenheit. Wo Geduld ist und Demut, da ist nicht Zorn noch Verwirrung.« Franziskus übt sich im Umgang mit Emotio- nen darin, handlungsfähig zu bleiben und sich nicht zu vorschnellen Reaktionen hinreißen zu lassen. Gefühle haben ihre Wahrheit und der menschliche TEXT: Niklaus Kuster ofmcap | FOTO: sakepaint /stock.adobe.com Geist seine Freiheit. Diese gilt es zu wahren, damit die Liebe in jeder Lage unter allen Emotionen die stärkste bleibt. Wahre Friedensstifter Franziskus sieht »jene der Welt den wahren Frieden bringen, die bei allem, was sie hier auf Erden erleben und erleiden, an Leib und Seele den Frieden bewah- ren!« An Leib und Seele den Frieden bewahren, bei allem, was uns im Alltag zugemutet wird? Mit der Zunge, mit der Faust Frieden bewahren? In meinem Denken nicht aggressiv werden, in meinem Herzen nichts Böses wünschen, in meiner Seele nicht außer mir geraten? Franziskus illustriert diese Haltung mit der Erzählung »Über die wahre Freude«. Die Origi- nalquelle wird hier zu einem Impulsspiel entfaltet, das sich meditieren oder auch spielen lässt: 8 | 9

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