Franziskaner Mission 3 | 2021

Seit Urzeiten fürchten sich die Menschen vor bösen Geistern, die sich in Form von Naturgewalten wie Gewitter, Überflutung oder Erdbeben zeigen. Auf der anderen Seite gibt es auch die guten Geister, die den Menschen wohlgesonnen sind. Das Leben der ethnischen Minderhei- ten in Vietnam ist von unsichtbaren Mächten (Geistern) umgeben. Diese Geister üben großen Einfluss und Druck auf das Denken und Handeln der Menschen aus. Was tun die Menschen, um die bösen Geister zu besänftigen und den guten Geistern Dankbarkeit zu zeigen? Mit dem Neujahrsbaum soll eine Balance zwischen Menschen und Geistern geschaffen werden. Zu besonderen Anlässen, wie Neujahr oder Erntedank, werden bei den ethnischen Minderheiten Vietnams die sogenannten Cây Nêu vor den Häusern aufgestellt. Der Cây Nêu hat die Funktion der Vermittlung zwischen Him- mel und Erde. Er stellt eine Beziehung zwischen den Gottheiten/Geis- tern und Menschen her. Durch ihn können die Menschen Verbindung zu den Gottheiten/Geistern aufnehmen. Götter und Geister sollen den Menschen ein gutes Leben ermöglichen. Dafür müssen die Menschen Opfergaben darbringen und die Geister damit besänftigen. Die Menschen in den ethnischen Minderheiten stehen, von ihren Ursprüngen her, in enger Beziehung und Harmonie zur Natur, zu den Göttern und allen Menschen. Bei der Minderheit der Jrai zum Bei- spiel unterstützen sich alle Dorfbewohner bei der Ernte. Sie verlangen keinen Lohn dafür, jedoch ein gemeinsames Mahl, zu dem der Erntebe- sitzer einlädt. So entsteht solidarische Gemeinschaft und gemeinsame Freude über die Ernte. Versöhnung zwischen Himmel und Erde Der Neujahrsbaum in Vietnam Der Autor Chi Thien Vu gehört zur Deutschen Franziskaner­ provinz und lebt als Seelsorger im Franziskanerkonvent Dortmund. Mit neun Jahren sind er und seine Familie als sogenannte Boot-People aus Vietnam geflüchtet und mit Hilfe der »Cap Anamur« nach Deutschland gekommen. Oh Geist Yang (Oberster Geist) , oh ihr Geister allesamt, am Anfang des neuen Jahres erbitten wir eure Anwesenheit. Nehmt unsere Einladung am heutigen Tag als Dank an. Wir bitten euch um Schutz und Gesundheit, Glück und Frieden im neuen Jahr. Wir bringen euch unsere Opfergaben dar als Zeichen unserer Treue und Ergebenheit. Gewährt uns Schutz und haltet uns fern von Gefahren. Seid unsere Gefährten im Kampf gegen alles Böse. So wollen wir euch ergeben dienen.

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