Franziskaner - Herbst 2022

35 franziskaner 3|2022 ein deutsches Trauma und erhöht die Inflation. Hinzu kommt, dass viele Preise für reale Güter gar nicht auf diesen Märkten gemacht werden, sondern auf den Finanzmärkten. Und die Finanzmärkte haben eine Tendenz, Dinge zu verstärken. Wenn es beispielsweise Lieferkettenprobleme in einem bestimmten Sektor gibt, dann verstärkt die Spekulation an den Finanzmärkten nochmals die Preissteigerungen. Die Europäische Zentralbank hat in diesem Jahr mit ersten Zinserhöhungen begonnen. Ist das bei den gegenwärtigen Inflationsursachen für den Euro-Raum überhaupt sinnvoll? Ich gehöre zu denjenigen, die glauben, dass die Notenbanken nicht sonderlich viel ausrichten können und auch vorsichtig sein sollten, jetzt über das Ziel hinauszuschießen. Sicherlich kann eine Notenbank in der aktuellen Situation nicht nichts tun. Sie muss signalisieren, dass sie bereit ist, auch ihren Beitrag zu leisten. Allerdings sind die Notenbanken im Moment nicht die entscheidenden Spieler, um mit den Problemen dieser Inflation umzugehen. Und sie müssen natürlich auch die negativen Nebenwirkungen ihrer Maßnahmen bedenken. Es bringt uns auch nichts, wenn die EZB massiv gegen die Inflation vorgehen würde, da vielleicht ein bisschen was erreicht und gleichzeitig viel Schaden an anderer Stelle anrichtet; beispielsweise eine hohe Arbeitslosigkeit begünstigt. Oder viele Menschen, die sich in den letzten Jahren ein Häuschen gekauft haben, vor Finanzierungsprobleme stellt, weil sie die Kreditzinsen nicht mehr bedienen können. Die EZB muss vorsichtig vorgehen, und das kann sie auch, weil sie sowieso nicht so viel machen kann gegen diese Art von Inflation. Dabei wird der EZB immer wieder vorgeworfen, nicht genügend gegen die Inflation zu tun. Der Vorwurf, Frau Lagarde sei verantwortlich dafür, dass die Inflation so explodiert wäre, ist schlicht falsch. Man muss wissen, die EZB versucht seit 2008 verzweifelt, die EU aus einer deflationären Situation in eine normale, gesunde inflationäre zu bringen. Das klingt für den Laien schwierig, aber es ist eben doch sehr viel riskanter, gar keine Inflation zu haben als ein bisschen Inflation. Und der Umstand, dass wir 15 Jahre gar keine oder sogar negative Inflation hatten, sollte darauf hindeuten, dass die Zentralbanken jetzt nicht in den letzten Jahren Dinge getan haben, die erfolgreich zur Inflation beigetragen hätten. Man kann sich auch mal anschauen, was die Bestandteile im Warenkorb sind, die teurer geworden sind. Und da wird ganz deutlich: Das sind vor allem die Energielieferungen und die Produkte, bei deren Produktion ein vergleichsweiser hoher Rohstoffeinsatz nötig ist. Es ist Gas, und Elektrizität wird es jetzt bald werden. Alles Dinge, die von den Folgen des Krieges gegen die Ukraine stark beeinflusst werden, und der ist nicht die Folge eines überhitzten Marktes. Welche Rolle werden die vergleichsweise hohen Lohnabschlüsse in den anstehenden Tarifrunden spielen? Droht dadurch eine zusätzliche Lohn-Preis-Spirale? Zunächst: Es ist Aufgabe der Tarifparteien, jetzt die Löhne so anzupassen, dass die Leute am Schluss real nicht schlechter dastehen als vorher. Insofern ist es richtig, dass man die Löhne jetzt entsprechend erhöht. Zweitens: Natürlich ist es auch richtig, dass je stärker Löhne und Gehälter erhöht werden, es desto länger dauert, bis die Inflation wieder nach unten gehen wird. Doch das halte ich unter den gegebenen Bedingungen für völlig akzeptabel und auch nicht für dramatisch. Die immer wiederkehrenden Lockdowns in China infolge der Null-Covid-Strategie stören den gesamten Welthandel, da Häfen, wie hier in Schanghai, wichtige Knotenpunkte im globalen Warenaustausch darstellen Die Löhne müssen steigen, dafür können die Gewinne mal weniger stark in die Höhe schießen © cfoto – picture-alliance.de

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