Franziskaner - Winter 2022

28 franziskaner 4|2022 führt er am Ende des Tages zu einem kurzen Blog-Beitrag zusammen, den er für die Öffentlichkeit zugänglich macht. Der Blog zeigt, wie abwechslungsreich seine Tage verlaufen, dass es nie einen festen Plan gibt und wenn doch, dass sich dieser meist wieder verändert. Aber vor allem wird deutlich, dass der Franziskaner eigentlich selten allein unterwegs ist. Es begleiten ihn Freunde und Familie, er trifft Menschen, die ihn von vorherigen Besuchen kennen, die ihn eine gewisse Zeit begleiten, ihn zum Essen oder auf eine Tasse Kaffee einladen. Geprägt vom Gefängnis Gabriel Zörnig erzählte immer wieder von den acht Jahren, die er im »Knast« verbrachte. Damit meint er seine Zeit als Gefängnisseelsorger in der ehemaligen Jugendanstalt (jetzt Jugendvollzugsanstalt) in der Nähe von Neustrelitz und den Gefängnissen in Bützow und Neubrandenburg. Die Zeit mit den Gefangen hat den Franziskaner sichtlich geprägt. Nicht nur mir berichtet er von verschiedenen Anekdoten, wie er die Regel in den Arrestanstalten bis zum äußersten strapaziert hat, um den Gefangen wenigstens kleine Freuden zu bereiten. Auch bei seinen Begegnungen kommt seine Zeit im Gefängnis immer zur Sprache, auch weil er gerade durch diese Tätigkeit in Neustrelitz eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. Sein Humor begleite ihn schon sein ganzes Leben, auch wenn dieser nicht bei jedem so gut ankommen würde, berichtet Bruder Gabriel. Witze hätten ihm damals geholfen, ins Gespräch mit den oft scheuen Jugendlichen zu kommen, und sie seien auch heute noch die beste Möglichkeit, um bestimmte Gesprächssituationen mit Menschen aufzulockern. In der Auseinandersetzung mit den Insassen konnte er viele Erfahrungen sammeln, die ihm heute helfen, Dialoge so zu führen, dass Menschen sich öffnen können und auch existenziellere Gespräch möglich werden. Begegnen Begegnen ist aus meiner Sicht der zentrale Begriff, wenn es umdie Arbeit von Bruder Gabriel geht. Er begegnet Menschen, und er begegnet ihnen bewusst. Es ist kein zufälliges Aufeinandertreffen. Bruder Gabriel geht auf die Menschen zu, und dabei ist es komplett egal, wo er oder wer sein Gegenüber ist. Blickkontakt aufbauen, an die Menschen herantreten und das Gespräch mit einer Frage eröffnen. So läuft es in den meisten Fällen ab. »Wissen Sie wo ich die katholische Kirche hier finde?«, fragt er beispielsweise eine Mutter mit ihren drei Töchtern, die uns auf dem Bürgersteig entgegenkommen. Die Frau ist im ersten Moment verwundert und beginnt gleich darauf, zusammen mit ihren Kindern, den Weg zu erklären. Als sie uns die Route skizziert hatten, meint Bruder Gabriel: »Sie sind gut informiert, aber natürlich weiß ich, wo die katholische Kirche ist. Da komme ich nämlich gerade her. Ich wollte nur erfahren, ob Sie es auch wissen.« Die Verwirrung ist allen ins Gesicht geschrieben. Bruder Gabriel erklärt in kurzen Zügen, wer er ist, was sein Projekt ist und welche Rolle ich an diesem Tag einnehme. Das Eis ist gebrochen, und ein Gespräch entwickelt sich. Die Familie hat Geschenke für Weihnachten gespendet. Wir erfahren viel über das Leben der vier Menschen, mehr als ich gedacht hätte. Es ist eher ein Dialog zwischen guten Bekannten als mit einem eigentlich Fremden, den sie vor wenigen Minuten kennengelernt haben. Auch meine Anwesenheit wird trotz Kamera nicht als störend oder abschreckend wahrgenommen. Irgendwann wird deutlich, dass die Familie weitergehen möchte. Für den Bruder ist das kein Problem, aber nicht, ohne dass alle eine seiner Segenskarten gezogen haben. Eingeleitet wird das Ganze wie bei jeder Begegnung: »Es gibt keine Nieten, aber auch Weitere Informationen sowie den Blog von Bruder Gabriel finden sie auf >> www.franziskanisch-unterwegs.jimdofree.com/ Aus der Frage, wo es in der Nähe ein Cafe gibt, entsteht ein längeres Gespräch, während uns die Dame dorthin begleitet Auch die Zeitschrift »Franziskaner« wird von Bruder Gabriel in die Gespräche eingebunden und an Interessierte weitergegeben

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=