18.03.2022 Pater Hans-Georg Löffler

Aussterbende Spezies

<> Der Kommentar der Woche

Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Pater Hans-Georg Löffler

In der Tierwelt sterben jedes Jahr mehrere Arten aus. Auch auf der kirchlichen Landkarte in Deutschland und Europa werden die Lücken immer größer, Klöster werden aufgegeben, viele Einrichtungen an andere Träger abgegeben.

Für jedes Provinzkapitel erstellt der jeweilige Provinzial einen Bericht: Rückblick, Statistik, Rechenschaftsbericht, Problemanalyse, Ausblick. Der aktuelle Kapitelsbericht von Pater Cornelius ist gut. Klar und ohne Pathos. Ehrlich. Aus den Zahlen, die dort aufgeführt sind, folgere ich: Wir sind eine aussterbende Spezies. Seit einigen Jahren haben wir Franziskaner in Deutschland keinen Nachwuchs. Warum? Die Schuldfrage ist müßig, schleicht sich aber doch ins Denken ein: liegt es an der Gesellschaft? Oder am schlechten Image der Kirche? Oder sind wir es: ist unser Lebensstil ansprechend? Leben wir franziskanisch genug oder sind wir zu sehr verbürgerlicht?

Im Sommer wird unser jüngster Mitbruder mit Feierlicher Profess 40 Jahre alt. Ich sehe die Gefahr, von einer depressiven Spiralkraft heruntergezogen zu werden, die ganze Entwicklung als negativ und unausweichlich zu sehen: Wir sterben aus. Zumindest in Deutschland.

Ermutigend ist es für mich, in einer weltweiten Ordensgemeinschaft zu leben. Das verschont zwar nicht von dem Schmerz, abschiedlich leben zu müssen, aber es ist doch wie eine Vergewisserung: die Dynamik, die wir in Deutschland und Europa erleben, ist keine weltweite Erscheinung.

Auch tut es mir gut, mich verbunden zu wissen mit Schwestern und Brüdern in anderen franziskanischen Gemeinschaften und: dass der franziskanische Blick auf die kirchlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen immer noch und immer wieder Sympathisanten findet, die bereit sind, neue Formen des Miteinanders im christlichen Glauben zu entwickeln, vielleicht auch zu leben.

Jedes Jahr sterben Tierarten aus – aber, zu unserem großen Erstaunen, werden jedes Jahr neue Arten in Flora und Fauna entdeckt. Vielleicht entdecken ja auch wir neue Formen des gemeinschaftlichen franziskanischen Lebens, um bei allen unaufhaltsamen Veränderungen „das Franziskanische“ lebendig zu halten.


Der Blick zurück, der Blick nach vorne, und der Blick nach innen.
Franziskaner kommentieren, was wichtig ist.
Immer freitags auf franziskaner.de.


2 Kommentare zu “Aussterbende Spezies

  1. Danke an Bruder Ralf für diesen inhaltsreichen Kommentar. Einen der Nachwuchsproblematik sehe ich das die meisten Jungen & Erwachsene keine Differenzierung der röm.kath. Kirche und dem OFM haben. Die negativ Meldungen der lezten Jahrzehnte und wie damit umgegangen wurde hat sehr viele verärgert . Sehr viele haben der Kirche den Beitrag aufgekündigt, auch ich. Ein grosser Teil dieser Menschen tragen den Christlichen Kompass in sich und leben diesen, in Gedanken, Werke und Worten!
    Ich würde mir wünschen das sich ALLE Franziskanischen Orden KLAR positionieren und auch distanzieren.
    Die „Wasser predigen und Wein saufen“ mentalität wurde erkannt, das (aus)sterben vieler Orden ist daher programm.
    Jesus hat es gelebt, Francesco d’Asissi hat es gelebt, der Geist Christus lebt in sehr vielen von uns. Den Brückenschlag zur röm.kath. Kirche ist nicht mehr zu rechtfertigien. Wünsche Euch gute Gedanken, liebe Grüße aus Niederösterreich.
    mARTin b.

  2. Lieber Bruder Hans-Georg
    Schon seit einigen Jahren liegen mir beim Lesen der Nachrichten über das Aufgeben von Häusern und Aufgaben und den Nachwuchsmangel Begriffe auf der Zunge wie „verwaltetes Sterben“ und „zu Tode schrumpfen“. Ja, ich habe Angst, dass der Orden stirbt – und zwar durch die Bank weg alle Zweige: von den ersten bis zu den dritten Orden. Unsere FG in Zürich bildet da eine Ausnahme, denn wir haben viele junge Mitglieder und Interessenten. Ich bin mit meinen 60 Jahren das älteste Mitglied dort. Die Frage zu beantworten, woran es liegt, dass es keinen oder nur so geringen Nachwuchs gibt, ist müssig. Würde ich jetzt sagen, es liegt teilweise daran, dass die junge Generation kein Interesse an der Kirche hat und lieber Party feiert als in die Kirche zu gehen, dann kommen mit Sicherheit Gegenstimmen, die sagen, dass man auch viele andere Jugendliche kennengelernt habe, die nicht so sind. Mag sein, aber warum entscheiden sich diese „anderen Beispiele“ dann nicht für den Eintritt in einen Orden? Ich sehe das so: Die Jungen haben nicht gelernt zu verzichten und sind auch nicht bereit Verzicht zu üben in einem Leben im Orden.
    Und vielleicht liegt es auch daran, dass die franziskanische Familie sich nicht heraushebt aus dem „Ordengemeinge“. Ich habe das Gefühl, dass eigentlich alle Ordensgemeinschaften in ihren eigenen Blasen leben. Es gibt die typischen „Anhängerschaften“ (und es sage jetzt niemand, dass dem nicht so sei, denn ich weiss, wovon ich rede!) rund um Gemeinschaften und Einzelpersonen in diesen Gemeinschaften. Aber wo bleibt die Strahlkraft über diesen Kreis hinaus? Mag sein, dass via Website oder auf Facebook & Co. versucht wird, nach aussen zu wirken. Aber es kommt nicht überall an. Die Wirkung bleibt beschränkt. Schaut doch einmal auf die Aktion „Friday For Future“. Welch eine Ausstrahlung hat diese Aktion auf die jungen Menschen! Die franziskanische Familie muss aus ihren ausgetretenen Pfaden heraus. Ob sie auf die Strasse gehen soll und sich mit den Aktivisten solidarisiert, das lasse ich mal offen. Es geht sicher nicht um ein blossen Mitschwimmen oder um ein Auffallen um jeden Preis. Hier ist Kreativität gefragt, Fingerspitzen gefühl und, ja, auch Mut.

    Zum Schluss noch diese Anmerkung. Beim Kapitel in VIerzehnheiligen waren die beiden Provinzialminister der Kapuziner und Minoriten anwesend. Wurde schon einmal darüber nachgedacht, ob sich die Orden nicht wieder zusammenschliessen können? Überspitzt gesagt will man „auf Teufel komm raus“ die Ökumene mit den reformierten und orthodoxen Kirchen. Hier sehe ich ein viel grösseres Problem als bei einem Zusammenschluss der franziskanischen Orden. Also, warum nicht diesen Schritt wagen?

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