Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.
Es kann passieren, dass ein Mensch in längerfristig bestehenden Kontakten plötzlich bei einer Kleinigkeit die Luft geht und sich in einer Hassrede echauffiert, dass man als Gesprächspartner völlig überrascht ist. „So kenne ich die doch gar nicht!“ Man ist total erschrocken und hört betroffen zu. Irgendwann kann man sich nur noch wehren mit „Stopp – so reden wir hier nicht!“ Wenn es im Moment kein Vorankommen gibt, hilft nur noch eine deutliche Abgrenzung.
Wenn man dann mit sich allein ist oder mit anderen über den Vorfall spricht, kommt man meistens zu der Einschätzung: In der Wut-Attacke ist etwas aufgebrochen, das seine tiefere Ursache in anderen Feldern hat. Dieser kleine Anlass hier war nur ein Auslöser, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, das mit anderen Schmerzerfahrungen gefüllt war.
Eine mögliche Erklärung: Hier ist ein Mensch in dieser eigentlich sachlich zu regelnden Angelegenheit mit seiner grundsätzlichen Verletzlichkeit und dem damit verbundenen Schmerz konfrontiert. Mit dieser von Anfang des Lebens mitgegebenen Grunddisposition des Lebens, der „Verletzlichkeit“, konfrontiert zu werden, ist schmerzhaft und beschämend für ein Autonomie- und Siegerbewusstsein, dieser durchgängigen Prägung in unserer sozial-gegenwärtigen Mentalität. Keiner will gerne in seinem wunden Punkt ertappt und getroffen werden. Dagegen kann man nur dicht machen oder in Aggression verfallen.
Das ist für mich eine mögliche Erklärung für so plötzliche Ausbrüche von Wutanfällen und Hassattacken. Das gilt für persönliche Beziehungen wie auch für das Miteinander der Völker.
Der Blick zurück, der Blick nach vorn, und der Blick nach innen.
Franziskaner kommentieren, was wichtig ist.
Immer freitags auf franziskaner.de.
Lieber Bruder Franz
Vielen Dank für Deinen Beitrag. Aus eigener Erfahrung – nämlich als „Explodierender“ kann ich das von Dir Gesagte bestätigen. Es sind in der Tat Verletzungen des Lebens, die sich tief eingraben und irgendwann braucht es nur eine winzige Kleinigkeit, dass man aus der Haut fährt. Oft habe ich mit einem Rundumschlag reagiert: Brücken abgebrochen, Gräben aufgerissen und für mich als unüberwindbar erklärt. Zuletzt waren es die Verletzungen der Kirche. Ich habe eine Ausbildung in Palliative Care gemacht und vorher auch schon in einem Spital in einer Freiwilligengruppe die Krankenkommunion an Patienten ausgeteilt. Aber meine Erfahrungen mit der Kirche haben mich zur Entscheidung gebracht, keine Freiwilligenarbeit mehr zu leisten. Und Aggression war manchesmal mit im Spiel. Damit es nicht zu einem gewalttätigen Ausbruch kam, gab es eigentlich nur den totalen Rückzug. In solchen Situationen hilft auch kein Meditieren, kein Teetrinken und was es sonst noch für schlaue Tipps gibt. Es ist wichtig, dass man sich professionelle Hilfe (von Vorteil ist ein Psychotherapeut mit positiver Einstellung zum christlichen Glauben) sucht und rechtzeitig erkennt, wo die persönlichen Triggerpunkte liegen.
Pace e bene
Ralf