Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.
Sei es die Forderung, Gott aus dem Grundgesetz oder der Eidesformel zu streichen oder die Diskussion um die Kreuze in staatlichen Schulen – was an die christlichen Wurzeln in unserer Gesellschaft erinnert, wird häufig angefragt. So wiederholt sich auch die Klage über das Tanzverbot zu Karfreitag, wie in diesen Tagen vor Ostern.
Dass das Christentum in Deutschland auf dem Rückzug ist, hat erst kürzlich die Kirchenmitgliederuntersuchung erneut festgestellt. Laut Statistik bezeichneten sich im Jahr 2022 weniger als die Hälfte der Bevölkerung als christlich, Tendenz fallend. 44 % wurden als konfessionslos eingeordnet.
Angesichts dieser Zahlen scheint mir die Frage berechtigt, wie viel Einfluss die Kirche auf das Leben der Menschen in unserer Gesellschaft ausüben kann. Ist z.B. ein Tanzverbot zu Karfreitag für Konfessionslose bzw. generell für Menschen legitim und zeitgemäß? Wie kann man dieses Verbot in einer pluralen und freiheitlichen Gesellschaft noch begründen? Hinter diesen Diskussionen steckt die Frage, wie viel Christentum unsere Gesellschaft noch verträgt.
Ihre Beantwortung ist durchaus komplex. Was machen wir z.B. mit den noch verbliebenen christlichen Erinnerungen wie den Feiertagen? Weihnachten, Ostern, Himmelfahrt …? Wenn immer weniger Menschen mit den Inhalten dieser Tage etwas anfangen können oder sie gar ablehnen, sollten wir diese dann umbenennen? Oder wäre dann die Konsequenz, dass nur die Christen an den entsprechenden Werktagen frei haben? Der ehemalige Präsident der Uni bezeichnete einmal die Adventsfeiern als kulturelle Feiern, ein gewagter und wahrscheinlich verbreiteter Versuch einer Umdeutung christlicher Feiern. Dies zeigt, wie unsere Gesellschaft auf der Suche eines neuen Selbstverständnisses ist.
Wenn auch die sinkenden Mitgliedszahlen der Kirchen vielen Kritikern zuträglich sind, so wichtig ist, gerade in unseren Tagen, der ideelle Wert, den die christliche Botschaft in die Gesellschaft einbringt. Wie würden wir uns ohne christliche Wertevermittlung definieren? Leider kann ich keine wirklich gute Alternative erkennen. Und das macht mir Sorge. Es sollte also meines Erachtens nicht darum gehen, wie viel unsere Gesellschaft verträgt, sondern wie viel sie braucht.
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Im ersten Moment sorgt die Fragestellung „Wieviel Christentum verträgt unsere Gesellschaft?“ bei mir für Kopfschütteln. Ich bin inzwischen 62 jahre alt. Für mich war Deutschland immer ein christliches Land – nicht nur christlich geprägt. Das sind in meinen Augen zwei Paar Schuhe. In meiner Kindheit und Jugendzeit war es so, dass an Tagen wie Totensonntag und Karfreitag das Fernsehprogramm entsprechend gestaltet war: Sendungen mit klassischer Musik (und sicher keine Walzermusik!) und keine Spiel- oder Musikshows. Und das Tanzverbot am Karfreitag wurde nicht in Frage gestellt. Wir Kinder wurden entsprechend angewiesen, draussen leise zu spielen. Heute befindet sich Deutschland in vielerlei Hinsicht im Sturzflug. Die Entchristlichung ist nur ein Symptom hierbei. Über das Fernsehen muss man gar nicht erst sprechen. Religion ist kein Schulfach bzw. Pflichtfach mehr (nicht einmal für eine bestimmte Anzahl Schuljahre). Wissen über den christlichen Glauben muss man nicht abfragen, da kommen oft genug nur dumme oder gar keine Antworten. Die Teilnahme an der Erstkommunion und vielleicht noch an der Firmung erfolgt seitens des Kindes meist nur wegen der Geschenke. Eine Bindung an Glauben und Kirche ist nicht vorhanden. Wer alt genug ist, macht am Wochenende und bei allen möglichen Gelegenheiten Party. Verzicht ist ein Fremdwort, ganz besonders was Freizeit und Party angeht. Jegliches Fordern wird als unzumutbar betrachtet, so auch das Tanzverbot an stillen Feiertagen. Die beiden gestellten Fragen sind richtig und wichtig: „Ist z.B. ein Tanzverbot zu Karfreitag für Konfessionslose bzw. generell für Menschen legitim und zeitgemäß? Wie kann man dieses Verbot in einer pluralen und freiheitlichen Gesellschaft noch begründen?“ Ein Teil der ersten Frage, nämlich nach der Legitimität, ist einfach zu beantworten: Natürlich ist das Verbot legitim, denn es wurde von einer legislativen und verfassungsgemässen Instanz erlassen. Zeitgemäss? Wieso sollte der Karfreitag – und damit die (Grabes)Stille – nicht zeitgemäss sein? Glaube hat nichts mit Mode zu tun. Oder war der Karfreitag z.B. im 18. Jht. zeitgemässer als heute? Zur zweiten Frage: Wenn eine sogenannte freiheitliche Gesellschaft keine Verbote ertragen und mittragen kann, dann wird sie sich mit der Zeit auflösen. Man könnte ja sagen, dass das Tanzverbot die Freiheit der Tanzwütigen einschränkt. OK, heben wir das Verbot auf. Dann kommt die nächste Gruppe. Die FKKler wollen nicht mehr auf einen Bereich am Ostseestrand begrenzt werden, sondern sich auch nackt in die städtischen Parkanlagen legen. An den Haaren herbeigezogen? Keinesfalls. Es gibt die Forderung von Frauen, dass sie in öffentlichen Badeanstalten mit nacktem Oberkörper herumlafen dürfen. Vielleicht schliessen sich ja dann bald die Männer mit der Forderung nach „frischer Luft für ihre Würstchen“ an. Und so geht es immer weiter, weil wir ja in einer freiheitlichen Gesellschaft leben. Also: „Freiheit für die Gummibärchen!“
Wenn wir die reinen Zahlen sprechenlassen, dann ist Deutschland nicht mehr als ein christliches Land zu bezeichnen. Man muss deshalb auf gar keinen Fall die christlichen Feiertage umbenennen. Das ist Blödsinn. Vielmehr können diese Feiertage ersatzlos gestrichen werden, was die Wirtschaft freuen würde. Dem Tanzen stünde nichts mehr im Weg, die Produktivität würde gesteigert und Christen erhalten arbeitsfreie Tage ohne Lohnverlust – analog zu den Muslimen, die an ihren hohen Feiertagen ja auch frei bekommen (so ist es jedenfalls in der Schweiz). Damit könnten alle Seiten zufrieden sein.
Ach ja, zum Schluss noch dies. Die Frage „Wieviel Christentum verträgt unsere Gesellschaft?“ erinnert mich an die bereits vor einiger Zeit gestellte und immer noch im Raum stehende Frage „Wieviel Islam verträgt unsere Gesellschaft?“. Der oder die Fragesteller wurden sofort als Nazis beschimpft. Das typische Totschlagargument. In einer freiheitlichen Gesellschaft ist es völlig ligitim, diese Frage zu stellen und es nicht einseitig auf das Christentum zu beschränken.