Fábio de Sousa Barbosa stammt aus Bacabal im brasilianischen Bundesstaat Maranhão. Mit 14 Jahren kam er das erste Mal mit den Franziskanern in Kontakt. Anfang 2023 hat er sich in der Feierlichen Profess endgültig an den Orden gebunden. Derzeit macht der 24-Jährige ein Urlaubssemester und lebt ein Jahr im Franziskanerkloster Dortmund, danach wird er sein Studium in Brasilien fortsetzen.
Ich bin das jüngste von vier Kindern und habe in meiner Familie sehr zurückgezogen gelebt. Als ich mich dann in meiner Gemeinde, der Pfarrgemeinde Heiliger Franziskus in Bacabal, engagierte, lernte ich die Franziskaner kennen. Andere Jugendliche in meinem Alter sprachen mit 14 Jahren nicht von einem „Lebensprojekt“. Viele von ihnen lebten so in den Tag hinein. Ich aber habe etwas gesucht, was mich in der Zukunft erfüllen wird. Mir wurde klar, dass ich das leben wollte, was ich im Franziskanerorden erlebt habe.
Ich glaube, dass jede Entscheidung im Leben – sei es den Bund der Ehe einzugehen oder, in meinem Fall, das gottgeweihte Leben oder die völlige Hingabe zugunsten des Nächsten und anderer Lebewesen – ein Fundament benötigt. Für mich ist dieses Fundament ein Leben in einer christlichen Gemeinschaft. In meiner Heimatgemeinde habe ich die Werte des christlichen Lebens – wie den Wert des Friedens, der Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung – auf eine tiefere Weise erfahren. Diese Erfahrung in der franziskanischen Gemeinschaft motivierte mich, mein Leben zu weihen, und sie motiviert mich auch heute, ein Franziskaner zu sein, der die Liebe zu den verarmten Menschen pflegt. Daher sage ich: All unsere Entscheidungen im Leben geschehen durch den Willen Gottes. Und oft manifestiert Gott seinen Willen durch bestimmte Menschen. Und es waren die Menschen in meiner Gemeinschaft, die mir geholfen haben, den Willen Gottes in meinem Leben zu erkennen.
Die ersten Missionare kamen zu den verarmten Menschen in Nordostbrasilien und haben sich für sie eingesetzt. Das taten sie auch während der Landkonflikte. Sie waren nicht voreingenommen oder ängstlich, sondern motiviert. Das sind Lebensbeispiele für mich. Wir Franziskaner leben meist nicht in einem großen Kloster, sondern in kleineren Häusern, die denen der Menschen am jeweiligen Ort nachempfunden sind. Sie können zu uns kommen. Viele brauchen nicht viel, sie suchen jemanden, der ihnen zuhört.
Die Fürsorge meiner Eltern gegenüber anderen Menschen habe ich hautnah erlebt. Sie waren bodenständig, ehrlich und hatten immer ein Herz für bedürftige Menschen, die in irgendeiner Form Hilfe brauchten. Einen Blick für die anderen zu haben, die in Not sind – das habe ich quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Das haben mir meine Eltern vorgelebt.
Ich will in der Gemeinschaft der Franziskaner leben und wie sie arbeiten: mit Hingabe für die Armen. Diese Art der Mission erfüllt mich. Echte Liebe muss weitergegeben werden, echte Liebe ist nicht egoistisch.
Die Art und Weise, wie die Brüder in meiner Stadt lebten und auch wie sie evangelisierten und evangelisieren, bezauberte mich. Also begann ich, mich von den Franziskanern begleiten zu lassen. Schon bei den ersten Begegnungen mit ihnen war ich entschlossen: Ich wollte diesen Lebensstil, ich wollte die franziskanische Brüderlichkeit und das im franziskanischen Sinne „Mindersein“ leben.
So trat ich im Jahr 2016 in die erste Ausbildungsphase ein, die sogenannte Aspirantur. In dieser Phase absolvierte ich mein letztes Jahr an einem brasilianischen Gymnasium und in den darauffolgenden Jahren das Postulat und das Noviziat. Im Jahr 2019 legte ich meine ersten Gelübde ab und weihte mich ganz Gott, dem Franziskanerorden und der Kirche.
Im selben Jahr ging ich nach Teresina im brasilianischen Bundesstaat Piauí und begann ein Philosophiestudium. Die Menschen in dieser Stadt und die Seelsorge vor Ort halfen mir, das zu bestätigen, was ich immer wollte und was ich bereits lebte: ganz und für immer im Franziskanerorden zu leben. So bat ich im dritten Jahr meines Philosophiestudiums um ein Jahr der Vorbereitung auf die Ewigen Gelübde. Dieses Jahr bereitet die werdenden Franziskaner auf den wichtigsten Moment im Leben einer geweihten Person vor, die „Endgültige Weihe“. In diesem Jahr bekamen meine Mitbrüder und ich eine umfassende franziskanische Ausbildung, um diese wichtige Entscheidung auf sinnvolle Weise zu vertiefen.
Nach Abschluss dieses Vorbereitungsjahres bat ich um die Ablegung der Ewigen Gelübde und kam auch nach Deutschland. Ich wurde angenommen und legte meine Gelübde am Fest der Heiligen Drei Könige ab. Die Ewigen Gelübde sind im Leben eines jungen Ordensmannes der Höhepunkt. Es ist der Moment, in dem wir mit aller Überzeugung sagen, dass wir diesen Lebensstil für immer leben wollen – lieben, wie Jesus geliebt hat, und leben, wie Jesus gelebt hat. Nach meinen Gelübden bin ich Ende Januar dieses Jahres nach Deutschland gekommen. Hier fühle ich mich sehr wohl und erfüllt, und ich glaube, dass der Beginn meiner missionarischen Erfahrung auf deutschem Boden fruchtbar sein wird. Es ist ein weiterer Schritt, den ich in meiner Berufung mache, und das wird wichtig und einzigartig in meinem Leben.
Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch, wenn er die Mittel oder die Chance hat, sich weiterbilden soll, um Werkzeug Gottes im Leben anderer Menschen zu sein. So wie durch Schulausbildung, Studium oder Forschung in den verschiedensten Bereichen unser Dienst an den Menschen ihre Lebensqualität erheblich verbessern kann. Deswegen glaube ich, dass meine Aufgabe hier in Deutschland vor allem darin besteht, durch das Zusammenleben innerhalb der franziskanischen Gemeinschaft den Weg des Minderbruders hier zu leben und kennenzulernen. Die deutsche Sprache zu lernen, gehört zu diesem Weg dazu, damit ich in Zukunft nicht nur dazu beitragen kann, in den beiden Franziskanerprovinzen – der brasilianischen und der deutschen – zu helfen, sondern auch zum Dienst im Allgemeinen, wo immer ich auch sein sollte. Wenn es alles so verläuft, wie ich mir wünsche, möchte ich meinen Deutschkurs bis zum Jahresende fortführen. Ab dem kommenden Jahr studiere ich dann, nach Beendigung des Philosophie-Blocks, Theologie in Brasilien. Dann schließe ich das Gesamt-Studium ab und komme zurück nach Dortmund, um mich bei der Franziskaner Mission zu engagieren. Die ersten Franziskaner-Pioniere sind nach Brasilien gegangen; ich komme aus Brasilien nach Deutschland. Somit bin ich auch eine Art Pionier, der die Hingabe der Missionare als Priester von ganzem Herzen zurückgeben möchte.
Deshalb sage ich jedem, der mich fragt, ob ich mit meiner Entscheidung zufrieden bin: Ja, ich bin mit meinem Lebensweg mehr als zufrieden. Und wenn ich noch einmal die Wahl hätte, würde ich mich für ein Leben als Minderbruder entscheiden, weil ich glaube, dass wir alle dazu berufen sind, uns einer Sache zu widmen. Gott will mich und hat mich zum Franziskanerorden geführt, und ohne Zweifel hilft mir Gott selbst in den Widrigkeiten des Lebens, an diesem Ziel festzuhalten und ihm in den Menschen zu dienen, die es brauchen. Daher bekräftige ich, dass wir als junge Menschen etwas suchen sollten, das uns Sinn gibt, so wie ich es gesucht und gefunden habe: nämlich Jesus in den Fußstapfen des heiligen Franziskus und der heiligen Klara zu folgen.
Der Artikel von Bruder Fabio stammt aus der Zeitschrift Franziskaner Mission, Sommer 2023