15.04.2017 Bruder Michael Blasek

ChristuS-Bahn

Im Sog der Auferstehung: Österliche Bildmeditation von Bruder Michael Blasek

Im Sog der Auferstehung. ChrisuS-Bahn – Fotografie / elektronische Bildbearbeitung der Künstlerin Michaela Karch,
unter Verwendung eines Bildes von Matthias Grünewald.

Die Künstlerin Michaela Karch verwendet in ihrer Bildkomposition zwei Komponenten und fügt sie zu einem Ganzen zusammen. Ein alltägliches Geschehen, nämlich ein am Bahnsteig vorbeifahrender Zug wird mit einer Ebene die außerhalb unseres Erfahrungsbereiches liegt, der Auferstehung Jesu, dargestellt mit den Augen des spätmittelalterlichen Malers Matthias Grünewald, miteinander verwoben.

Bruder Michael hat sich das Bild angeschaut und eine nicht ganz alltägliche Meditation dazu geschrieben.


Es ist gut, dass es die weißen Linien an den Rändern von Bahnsteigen gibt. Wer nämlich einmal in den Sog eines vorbeirauschenden Schnellzuges geraten ist, kennt die Kraft, die einen dabei erfassen kann. Sie nimmt einem den Atem. Im schlimmsten Fall kann sie einen Menschen umwerfen, ja auf die Gleise ziehen.

Auf dem Auferstehungsbild des Isenheimer Altars von Matthias Grünewald wird eine ähnliche Situation dargestellt. Der Auferstandene fährt mit einer solchen Dynamik aus seinem Grab, dass sich die vier Wächter nicht mehr auf den Füßen halten können. So überwältigend ist das Geschehen. Solch eine Kraft steckt in der Auferstehung. Als würde der Geist Gottes in urgewaltiger Entschlossenheit durch das Leben fegen. Alles wird anders. Gottes kraftvolle Lebendigkeit wirbelt alles Bisherige durcheinander. Vielleicht wird Auferstehung deswegen häufig „hinter der weißen Linie“ verortet, die Leben und Tod trennt; so als habe sie ihren Platz erst nach unserem Tod.

Die Künstlerin Michaela Karch verlegt in ihrer Collage die Auferstehungserfahrung in einen S-Bahn-Schacht der Frankfurter Innenstadt, in die Energie eines durchfahrenden Zuges. Der Auferstandene, den sie dem Isenheimer Altar entnimmt, ist hier nur noch ein zarter Hauch, fast zu übersehen. Doch eines fällt auf. Christus schwebt über dem Bahnsteig auf „unserer Seite der weißen Linie“. Mir sagt dies: Auferstehung gehört in unser Leben. Sie geschieht schon hier und jetzt – oft ganz sanft. Sie kann das Erleben sein, dass nach einer Trennung eine Freundschaft auf mich zukommt. Sie ist erfahrbar, wenn nach Trauer wieder Lachen möglich oder nach scheinbar unüberwindbarem Hass das Wort gesagt wird: „Ich vergebe dir!“ Dann schwebt neues Leben eher unmerklich in unser Leben hinein. Doch die Wirkung ist stark, vital und bewegend.

Irgendwann treten wir tatsächlich über die „weiße Linie“ – in den Tod und die eigene Auferstehung. So lange möchte ich glauben: Christus ist schon da – auf unserer Seite, hinter der weißen Linie. Das macht mir Mut auf meiner Reise des Lebens.

Erstveröffentlichung Zeitschrift Franziskaner Frühjahr 2017


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