04.03.2024 Bruder Helmut Schlegel

Jan Frerichs – Wilde Kirche

Wie wir uns unsere spirituelle Heimat zurückholen

Buchempfehlung: Jan Frerichs
Wilde Kirche. Wie wir uns unsere spirituelle Heimat zurückholen.

Dieses Buch habe ich an einem Stück gelesen. Es hat mich bewegt und das vor allem, weil der Autor mich mitnahm auf seinem eigenen spirituellen Weg. Ich durfte teilhaben an seiner Abenteuerreise durch die eigene Seele, auch durch die Klippen der Zweifel und Fragen hindurch, die ihm als jungem Franziskaner und Theologiestudenten kamen. Ich durfte im Geist mitwandern auf seinem Weg, den er als Pilgerweg ins Heilige Land geplant hatte und der ihn dann doch nur bis Assisi führte. Während einer langdauernden Regenphase macht er Halt in einem Franziskanerkloster bei Bologna und begegnet dort Bruder Cristoforo. Dieser lehrt ihn beten, aber ganz anders als er es gewohnt ist. Auf die Klage, sich in einer geistliche Leere zu befinden, stellt ihm der Bruder die ernüchternde Frage „Bist du bereit, etwas zu riskieren und die Leere zu erkunden oder suchst du Sicherheit und versinkst lieber in Selbstmitleid?“ Cristoforo ist überzeugt, dass auch die Leere Gebet ist, denn „Man kann in Wahrheit nicht nicht beten“ (S. 35). Beten setzt den Mut voraus, sich der Leere des Nichttuns und Nichtwissens auszusetzen, um darin Verwandlung zu erfahren.

Frerichs erzählt, wie er die „wilde Kirche“ entdeckt hat. Sie ist außerhalb aller Kirchenräume, im Freien. Ihre Heiligtümer sind die Bäume, das Feuer, das Wasser, der Wind. Die „erste Bibel“ der wilden Kirche ist für den Autor die Schöpfung. Die Geheimnisse der Natur, ihr Wachsen und Werden im Kreislauf des Jahres offenbaren uns die Botschaft vom Segen Gottes. Frerich nennt sein Gottesbild panentheistisch. „Das bedeutet, dass überall das Verbindende durchscheint, und das nennen wir »das Göttliche«. Es geht nicht darum, das zu glauben im Sinne eines Für-wahr-Haltens. Es geht darum, dieses Sakrament zu erfahren, zu verkosten, zu erleben, die Verbindung wahrzunehmen, sich zu öffnen für die Verbindung, die in allem und durch alles sichtbar wird.“ (S. 101). Das Studium der „ersten Bibel“, in der wir durch die Wunder der Schöpfung von den Wundern Gottes erfahren, schafft auch einen neuen Zugang zur „zweiten Bibel“. Die Heiligen Schriften wollen nicht von außen her, sondern von innen her verstanden werden. Sie wollen weniger Lehrbücher religiöser Wahrheiten sein, sondern Geschichten erzählen, die uns die Geheimnisse Gottes und unserer Seele mystisch erahnen lassen.

Nicht zuletzt freut mich an diesem Buch, dass es sehr viele Impulse für die geistliche Praxis bereithält. Jedes Kapitel schließt mit weiterführenden Anregungen für die persönliche Reflexion und die Gebetspraxis ab. Darüber hinaus bietet der Autor unter der Überschrift „Das Feuer hüten – Handwerkszeug für die Wilde Kirche“ eine Reihe von Texten, Formaten und Ritualen für den persönlichen Gebrauch und für Gruppen. Dabei wird deutlich, wie sehr seine Spiritualität franziskanisch durchtränkt ist. Im Entwurf einer herrschaftsfreien, an der Wirklichkeit orientierten, schöpfungsnahen „wilden“ Kirche scheint das Kirchenbild des Heiligen von Assisi durch. Nicht ohne Grund endet das Buch mit dem Sonnengesang.

Auf die Frage, an wen sich Buch richtet, gibt der Autor im Vorwort Antwort: „Das Buch ist für Menschen gedacht, die ihre spirituelle Heimat verloren haben. (…) Es ist für Menschen geschrieben, die sich weder bei Konservativen noch bei Progressiven einordnen wollen oder können, weil es ihnen um mehr als »die Kirche« geht. Weil sie ahnen, dass die spirituelle Obdachlosigkeit, die sie erleben, gar nicht bloß das Problem, sondern ein Teil der Lösung sein könnte.“ (S.10)

Bleibt zu wünschen, dass viele diese Chance entdecken.

  • Jan Frerichs
  • Wilde Kirche – Wie wir uns unsere spirituelle Heimat zurückholen
  • Patmos Verlag
  • 176 Seiten
  • Deutsch
  • ISBN 978-3-8436-1511-2
  • Preis: 20,00 €

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