18.06.2021 Bruder Helmut Schlegel

Es geht um Leben und Tod

<> Der Kommentar der Woche

Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.

Als wir Bruder Helmut für einen Kommentar für diese Woche anfragten, bewegten ihn zwei Themen gleichermaßen: Die Empathie der Gesellschaft beim Zusammenbruch des dänischen Spielers Christian Eriksen bei der Fußball-EM, und der zunehmend raue Ton im Wahlkampf vor der Bundestagswahl im Herbst. Bruder Helmut hat deshalb gleich zwei lesenswerte Kommentare geschrieben!


Bruder Helmut Schlegel

Es ging um Leben und Tod. Der dänische Spieler Christian Eriksen war im Spiel Dänemark gegen Finnland plötzlich bewusstlos umgefallen. Herzstillstand. Ein Schock im Stadion und bei den Millionen an den Bildschirmen. Dank schneller Hilfe konnte Christian Eriksen den Kampf um sein Leben gewinnen. Das Mitgefühl der Fußballwelt hat ihm gewiss gutgetan.

Es geht um Leben und Tod. Millionen sind in Afrika auf der Flucht. Die Klimakatastrophe und die Folgen des (Neo)kolonialismus verbauen ihnen die Zukunft. Am 22. April 2021 hatte das Notruftelefon „Alarmphone“ frühzeitig den zuständigen Behörden in Europa gemeldet, dass ein überfülltes Schlauchboot im Mittelmeer zu kentern droht. Hilfe kam nicht, 130 Menschen sind ertrunken. Mitgefühl?

Es geht um Leben und Tod. In der Republik Kongo wird Coltan gewonnen. Das seltene Metall wird unter anderem als Baustoff für die kleinen Kondensatoren unserer Mobiltelefone genutzt. Nach einem Bericht von earthlink e.V. sind es zu 30 % Kinder, die in den Coltan-Minen arbeiten. Allein in den letzten zehn Jahren sind mehr als 2 Millionen von ihnen bei Unfällen und durch Atemwegserkrankungen gestorben. Mitgefühl?

Es geht um Leben und Tod. Corona ist eine globale Katastrophe. Die reichsten Länder der Welt (darunter Deutschland) haben sich bereits 70 % der 2021 zur Verfügung stehenden Impfdosen gesichert, nur ein geringer Teil geht an die armen Länder. Dabei ist die Todesrate dort um ein Vielfaches höher als bei uns. Mitgefühl?

Nach den Worten Jesu verdienen nicht nur die Großen und Berühmten unser Mitgefühl, sondern auch – und vor allem – die Geringsten! (vgl. Mt 26, 40).


Der Blick zurück, der Blick nach vorne, und der Blick nach innen.
Franziskaner kommentieren, was wichtig ist.
Immer freitags auf franziskaner.de


Ein Kommentar zu “Es geht um Leben und Tod

  1. Lieber Helmut
    Vom ersten bis zum letzten Wort Deines Kommentares kann ich Dir nur zustimmen. Wir leben inzwischen in einer Welt, in der Mitgefühl etwas Lästiges geworden ist und keinen Platz mehr hat. Die reichen Länder beuten die armen aus. Jeder ist sich selbst der Nächste. Im Frühjahr durften wir in der Schweiz über die Konzernverantwortungsinitiative abstimmen. Es ging dabei darum, dass Schweizer Firmen, die im Ausland direkt oder über Tochterunternehmen geschäften, auch Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Beispiel: Eine Firma mit Sitz in Baar / Schweiz baut in Peru bestimmte Stoffe ab. Dabei wird Schwermetall freigesetzt, das in das Trinkwasser gelangt. Erwachsene erkranken schwer, Kinder kommen mit Behinderungen auf die Welt. Mitgefühl? Fehlanzeige. Verantwortungsgefühl? Keinesfalls! Die Schweizer Wirtschaft hatte Angst um ihre Gewinne und hat mit einem – vor allem finanziell – grossen Aufwand die Stimmbürger eingeschüchtert, um nicht zu sagen erpresst. Das scheint inzwischen ohnehin die gängige Methode der Wirtschaftswelt zu sein, denn auch bei allen anderen Abstimmungen, die den Bereich der Wirtschaft betrafen, wurde mit Erpressung und Drohung gearbeitet.
    Letztes Wochenende hatten die Menschen in der Schweiz die Chance, dem vielen Reden Taten folgen zu lassen und es durfte über die 3 Initiativen zu den Themen CO2-Ausstoss, sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung, für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide. Wären alle 3 Initiativen angenommen worden, hätte dies bedeutet, dass Autofahrer mehr fürs Benzin hätten zahlen müssen und Bauern weniger Subventionen bekommen würden, wenn sie auf diese Pestizide verzichtet hätten. Wiederum wurde von den Gegnern mit der Angst der Bürger gerechnet und es kam dann auch so, dass dreimal Nein gestimmt worden ist. Mitgefühl für die Umwelt? Nicht vorhanden. Das Bienensterben darf wie gehabt weitergehen. Das ganze Geschwätz um grüne Politik, ökologischeres Handeln der Menschen – verstärkt seit Beginn der Coronapandemie – ist nichts weiter als heisse Luft. Sobald eine Verhaltensänderung Geld kostet, ist es aus mit dem guten Willen. Viel zu sehr ist man immer noch auf dem „Billig-Trip“: Billige Ferien, billiges Fleisch, billiges Obst und Gemüse. Dass diese Rechnung nicht mehr aufgehen kann, wird wohl verdrängt. Man vergisst, dass die Menschen, die ganz am Schluss hinter billigen Ferien stehen – nämlich das Personal der Hotels usw., die Bauern und ganz besonders die Landarbeiter (in Spanien z.B. sind es Flüchtlinge aus Nordafrika) in der landwirtschaftlichen Produktion, die „Billig-Arbeitskräfte“ in den Schlachthöfen und zuletzt auch die Tiere, die massenweise ihr Leben lassen müssen für das tägliche Grillfleisch, dass für all diese Betroffenen eben kein Mitgefühl vorhanden ist, schon gar nicht mehr Geld. Es gibt den Spruch: „Jeder für sich, Gott für uns alle.“ Nach diesem Motto lebt der grösste Teil der Menschheit, vor allem im Westen. Wobei: Gott kommt ja im Leben allzu vieler Menschen schon gar nicht mehr vor. Sowohl Mitgefühl als auch Verantwortung sind Fremdworte geworden, sind ein Luxus, den sich niemand mehr leisten will. Zu sehr sind wir mit dem beschäftigt, was vor unserer eigenen Nase und für uns persönlich ach so wichtig ist: Spass und Party an jedem Tag der Woche, Handy und Internet, die Anzahl der Follower auf Instagram & Co. Wenn wir nicht bald die Reissleine ziehen, dann wird es ein böses Erwachen geben.

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