04.11.2022 Bruder Stefan Federbusch

Grenzen zivilen Ungehorsams

<> Der Kommentar der Woche

Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Bruder Stefan Federbusch

Das Zeitfenster schließt sich. Rasant. Wir haben alles versucht, doch der Politik fehlen Mehrheiten, Motivation und Mut für den notwendigen Wandel, um die Klimakrise zu bewältigen. Daher greifen wir zu Mitteln des zivilen Ungehorsams, um hier und jetzt etwas zu bewirken. So lässt sich in Kurzform die Position von Extinction Rebellion wiedergeben. Deren Mitglieder brechen bewusst Regeln, um die Öffentlichkeit wachzurütteln und die politisch Verantwortlichen zum Handeln zu zwingen. Es geht um den „Aufstand gegen das Aussterben“ von Tieren und Pflanzen und ggf. des Menschen, wie sich der Name übersetzen lässt. Dieser Aufstand zeigt sich in Aktionen wie dem Festkleben auf Straßen, um den Verkehr zu blockieren oder dem Festkleben an Kunstwerken in Museen. So haben vor Kurzem Aktivistinnen der Protestgruppe „Letzte Generation“ im Potsdamer Museum Barberini Kartoffelbrei auf das Gemälde des französischen Impressionisten Claude Monet geschüttet.

Bewusste „Pro-vokationen“ = Heraus-rufungen, die im biblischen Sinne durchaus prophetischen Charakter haben. Wo aber liegen die Grenzen, wenn es im Selbstverständnis der Aktivist:innen heißt: „Dabei bleiben wir gewaltfrei“? Welche Mittel rechtfertigt das unterstützenswerte Ziel? Ich persönlich sehe einen Unterschied in der Blockade einer Autobahn, die ganz praktisch durch den CO₂-Austausch der Nutzenden zur Klimakrise beiträgt und der (potentiellen) Beschädigung von Kunstgütern, die direkt nichts mit dem Klimawandel zu tun haben, auch wenn sie von den Aktivist:innen in ihrem Symbolgehalt meist bewusst ausgesucht werden. Ich schließe mich da dem Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Ottmar Edenhofer, an, der kritisch anmerkte: „Man sollte nicht mit solchen widersprüchlichen Aktionen unterminieren, wofür man einstehen will.“

Einer, der Aktionen zivilen Widerstands organisiert und durchführt, ist der Jesuit Jörg Alt. So wurde etwa der Nürnberger Altstadtring lahmgelegt, um auf die notwendige Verkehrswende hinzuweisen. Auch mit Blick auf die COP 27 in Ägypten vom 7. bis 18. November ist seinerseits eine Aktion geplant. Seid Ihr als Franziskaner dabei? Eine Frage, die wir nicht nur allein als Provinzleitung beantworten sollten – denn die Zukunft unseres gemeinsamen Hauses Erde geht uns alle an. Welche Aktionsformen unterstütze ich und wo kann ich nicht mehr mitgehen? Wo liegen für uns als Gemeinschaft die Chancen, aber auch die Grenzen zivilen Ungehorsams?


Der Blick zurück, der Blick nach vorn, und der Blick nach innen.
Franziskaner kommentieren, was wichtig ist.
Immer freitags auf franziskaner.de


Ein Kommentar zu “Grenzen zivilen Ungehorsams

  1. Lieber P. Stefan,
    ich finde Ihren Kommentar außerordentlich hilfreich, und das nicht nur, weil er sehr differenziert auf aktuelle Ereignisse Bezug nimmt. In der Tat ist jeder, der ohne Scheuklappen die mannigfachen Nöte der Gegenwart wahrnimmt, dazu aufgerufen, für sich selbst auszuloten, wo und inwieweit er mittun kann. Gerade der- oder diejenige, die bewusst christlich und franziskanisch denkt, müsste hier eigentlich einen sicheren Maßstab haben. Die Aktivitäten des Jesuiten P. Jörg Alt heiße ich mit Nachdruck gut; und den Franziskanern stünde es gut an, sich hier anzuschließen. Mit Dank an Sie und herzlichen Grü0en!

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