22.04.2022 Pater Robert Jauch

Widersprüchliche Signale

<> Der Kommentar der Woche

Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Pater Robert Jauch

Erregende Vorkommnisse und heikle Beobachtungen, die den Medien neue Aufmerksamkeit und zusätzliche Klicks versprechen, kommen gerne mit dem aufregenden Zusatz einher, sie sendeten „widersprüchliche Signale“. Und immer häufiger hört man in der letzten Zeit von „historischen Augenblicken“. So etwas verschleißt sich, denn jedes Mal wird es bei besonderen Ereignissen nachher anders, als es vorher war.

Zur Corona-Pandemie ist in allen Höhen und Tiefen eine Erregungswelle der anderen gefolgt. Auch hier „widersprüchliche Signale“. Inzidenzwerte, so hieß es schon recht früh, hätten keine brauchbare Aussagekraft. Trotzdem werden sie dem Nachrichtenkonsumenten täglich zugemutet. Ich wehre mich und schaue einfach nicht mehr hin. Gesetzliche Bestimmungen werden aufgehoben, und doch mahnt jeden Tag ein „Spezialist“ zur weiteren Einhaltung von Maske und Abstand und weiteren Vorsichtsmaßnahmen.

Der ziemlich unvorhersehbare Krieg in der Ukraine sorgt auf seine Weise für Verunsicherung und Angst bis in unser Land hinein, mit vielen schrecklichen Bildern, Unterstellungen und Schuldzuweisungen. Solidarisierungen, gezielten Falsch-Nachrichten, Ausgrenzung von solchen, die sich nicht öffentlich empören und distanzieren, bis hin zu darstellenden Künstlern. Präsident Putin und sein Russland können sich noch der moralischen Unterstützung ihrer orthodoxen Glaubensführer erfreuen, und damit stehen auf beiden Seiten dieses Kriegs Christen, die um den Beistand von oben beten. Widersprüchliche Signale!

In Zeiten großen Informationsdurcheinanders hilft der Blick auf das, was mir persönlich und im Kleinen möglich ist, statt ins große Wehklagen über Putin, den neuen Adolf, oder gar allgemein „die“ Russen einzustimmen.

Mir kommt ein Ausspruch meines Vaters (1913-2000) in den Sinn. An seinem 30. Geburtstag war er mit den letzten Deutschen 1942 in Stalingrad in Gefangenschaft geraten, aus der er im Januar 1950 heimgekehrt war. Mehr als einmal bekräftigte mein Vater: „Die Russen sind feine Menschen!“ Widersprüchliche Signale? – Nein, eher das schlichte und eindrückliche Bekenntnis eines Zeitzeugen, Schlupfloch menschlichen Verständnisses in einer grauen Mauer von Unverständnis und Hass.


Der Blick zurück, der Blick nach vorne, und der Blick nach innen.
Franziskaner kommentieren, was wichtig ist.
Immer freitags auf franziskaner.de


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