16.04.2021 Bruder Michael Blasek

Mit aller Macht

<> Der Kommentar der Woche

Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren die Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Bruder Michael Blasek

In Zeiten des Wahlkampfes wird die Frage nach der Macht intensiv gestellt. Gerade erleben wir das politische Ringen um Ämter. Bisweilen befällt einen dabei das ungute Gefühl, es gehe den Akteuren mehr um sich als um die anderen.

Franziskus, der durchaus mit wirtschaftlicher, kirchlicher und individueller Macht vertraut war, wagt in seiner Bruderschaft einen neuen Machtbegriff zu installieren. Ausdrücklich wendet er sich gegen eine hierarchische Struktur des Ordens. Stattdessen sollen sich alle als Brüder verstehen (NbReg 22,33*). Obere gibt es zwar, aber diese haben die Position des fürsorgenden Hüters, des Guardians der Gemeinschaft. Alle Leitungsämter werden demokratisch gewählt und nur auf Zeit vergeben. „Das Amt verändert den Menschen schneller als der Mensch das Amt“, sagte einmal der Politiker Joschka Fischer. Vor allem verbietet Franziskus den Brüdern, eine „Machtstellung“ oder ein „Herrscheramt“ anzunehmen (NbReg 5,9*). Vielmehr betont er, dass die Brüder aller Kreatur untertan sein sollen (NbReg 16,6*). Franziskus denkt Leben, Institution und Amt radikal von Christus her, der sich ebenfalls gegen die unterdrückenden Machtstrukturen der Herrschenden wendet.

Wahre Macht bindet Jesus an den Dienst und die Liebe (z.B. Mk 10,43*). Das zeigt sich im „Loslassen vom ICH“ und in der Hinwendung zum anderen in Solidarität und zum Gemeinwohl. Dabei wird das Gemeinwohl heruntergebrochen auf den Einzelnen, insbesondere auf den Bedürftigen. Nur wenn es dem einzelnen Menschen gut geht, kann die Gesellschaft als ganze funktionieren. Ist dies das Ziel der übertragenen Befugnisse, werden die Amtsträger nicht mehr von Umfrageergebnissen bestimmt, sondern vom Gedanken der Wohlfahrt aller. Die Begriffe der Ministerin und des Ministers kehren dann zum Ursprung ihrer Bedeutung zurück, nämlich „Dienerin“ und „Diener“ zu sein.

 

*Die zitierten stellen aus der Nichtbullierten Regel des heiligen Franziskus und aus dem Markus Evangelium zum Nachlesen:

NbReg 5,9: „Ebenso soll hierbei kein Bruder Macht oder Herrschaft ausüben, am wenigsten unter den Brüdern selbst.“
NbReg 16,6: „… dass sie weder zanken noch streiten sondern um Gottes willen jeder menschlichen Kreatur untertan sind und bekennen, dass sie Christen sind.“
NbReg 22,33: „Ihr alle seid Brüder.“
Mk 10,43: „Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.“


Der Blick zurück, der Blick nach vorne, und der Blick nach innen.
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