Die Berufung von Franziskus war es, das Evangelium (griech. = gute Nachricht) zu leben. Bedingt durch die Vielfalt des Evangeliums ist es immer nur möglich, bestimmte Aspekte hervorzuheben und in eine bestimmte Lebensweise umzusetzen. Die Spiritualität (spiritus: latein. = Geist) eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen ist daher geprägt von dem Blickwinkel, von dem er bzw. sie auf das Evangelium schaut und von den Erfahrungen, die sein bzw. ihr Leben geprägt haben.
Da auch das Leben und Wirken von Franziskus äußerst vielfältig und vielschichtig ist, beschränkt sich die Darstellung auf einige wesentliche Grundzüge seiner Spiritualität sowie kurzer Hinweise auf Bestandteile einer franziskanischen Spiritualität heute.
In 27 Elementen reflektiert Bruder Stefan Federbusch die franziskanische Spiritualität und ihre konkrete Umsetzung. Die Minoritas, das „Klein sein“ im Rechten Sinne, das heißt mit dem Blick ausgerichtet auf Christus, der sich in seiner Menschwerdung und Passion verdemütigt hat, reflektiert das 24. Element franziskanischer Spiritualität. Eine maßgebliche Grundausrichtung des heiligen Franziskus und derer, die ihm bis zur heutigen Zeit im Orden nachfolgen.
Elemente franziskanischer Spiritualität
In Demut und Geduld Minoritas üben
Mit dem Begriff Frieden verknüpft Franziskus häufig die Begriffe „Demut“ und „Geduld“. (vgl. Eph 4,2). Für ihn bilden sie einen untrennbaren Dreiklang, eine unauflösliche Trilogie dieser Tugenden. (vgl. NbR 17,15). Gott selbst übt in seiner Menschwerdung das Moment der Demut, indem er sich entäußert und erniedrigt, klein wird und gering, ein Mensch unter Menschen. Christus hat den Seinen gedient und ihnen die Füße gewaschen. In seinen Briefen bezeichnet sich Franziskus in der Nachfolge Jesu als der „Geringste der Diener Gottes“ (1/2 Kust II,1) und „ganz kleiner und verächtlicher Knecht“ (BrLenk 1). Recht verstandene Demut (lateinisch humilitas = Erdverbundenheit] macht menschlich, human. Ungeduld führt häufig zu Gewalt. Geduld dagegen fördert den Frieden. [Geduld = patientia; schwingt pati = leiden = passio = Leiden mit]. Der Friede hängt sehr eng mit der Dienstbereitschaft zusammen.
Die „Minoritas“ ist Kernstück franziskanischer Spiritualität. Seine Brüder nennt er daher „Mindere Brüder“. „Und keiner soll ‚Prior’ genannt werden, sondern alle sollen schlechthin ‚Mindere Brüder’ heißen“ (fratres minores), schreibt er in der Regel von 1221 (NbR 6,3). Sie sollen allen Menschen untertan sein und ihnen dienen. „Ich rate aber meinen Brüdern, warne und ermahne sie im Herrn Jesus Christus, sie sollen, wenn sie durch die Welt gehen, nicht streiten, noch sich in Wortgezänk einlassen (vgl. 2 Tim 2,14), noch andere richten. Vielmehr sollen sie milde, friedfertig und bescheiden, sanftmütig und demütig sein und anständig reden mit allen, wie es sich gehört“ (BR 3,10; vgl. NbR 16).
Franziskus hat für sein Selbstverständnis das Wort minoritas gefunden, das im Deutschen nur schwer wiederzugeben ist, da „Mindersein“ in unseren Ohren nach Minderwertigkeit klingt. Franziskus spricht davon, anderen „untertan“ zu sein. Dies jedoch nicht aus einem negativen Gefühl der Minderwertigkeit, sondern einer positiven Grundgestimmtheit der Dankbarkeit. Franziskus weiß sich und sein Leben Gott verdankt. Er weiß sich von Gott geformt und gestaltet nach dem Bild seines geliebten Sohnes Jesu. Diese geschenkte Geschöpflichkeit ist die Voraussetzung, dem anderen Menschen in Ehrfurcht, Achtsamkeit und Zuneigung als Schwester und als Bruder zu begegnen sowie in allen Geschöpfen eine universale Geschwisterlichkeit wahrzunehmen. Minoritas ist die Grundhaltung für die Nachfolge Jesu, der »als der liebende Bruder dem Menschen nachgeht, um ihm die barmherzige Liebe des Vaters neu zu erschließen« (Johannes B. Freyer). Franziskus sieht in Jesus den wahren Menschen, der uns hilft, zu unserer wahren Natur als Abbild Gottes zu finden. Weil er unser Bruder geworden ist, werden wir zu „Kindern Gottes“, zu Gottes Töchtern und Söhnen. Wir haben Anteil an der Familiarität des dreifaltigen Gottes, in dessen Liebe wir hineingenommen sind. Die minoritas verwirklicht sich daher auf der spirituellen Ebene in der Haltung der Demut, die dem Anderen Würde und Anerkennung gewährt und sich als Handlung in Verfügbarkeit und Dienstbereitschaft bewährt. Sie zeigt sich auf der materiellen Ebene in Form der freiwilligen Armut und der Solidarität mit den Armen und Ausgegrenzten, in der Bereitschaft, ihr Leben zu teilen, ihnen eine Stimme zu geben und für sie einzutreten.
Wer nach einem Kennzeichen des »Franziskanischen „heute sucht, wird auf die Geschwisterlichkeit stoßen. Rein äußerlich trifft er auf eine große Franziskanische Familie, in der es zahlreiche Ordenszweige und Gemeinschaften gibt, in der in einer großen Vielfalt von Schwestern und Brüdern – Ordensleuten und „Laien“ – verschiedenste Lebensformen gestaltet werden. Bei Veranstaltungen wird er auf eine bestimmte Atmosphäre stoßen, die vom geschwisterlichen Miteinander geprägt ist. Wenn von einer Kommunikation auf Augenhöhe die Rede ist, mag dies sehr ideal klingen. Gewiss ist ein solches Ideal immer wieder neu einzulösen. Es zeugt jedoch von einer Grundhaltung, die versucht, die minoritas als gelebte Wertschätzung im Alltag umzusetzen, die Schwester und den Bruder als Geschenk zu sehen. Der gegenseitige Austausch von Frauen und Männern wird als Bereicherung wahrgenommen. Die Geschwisterlichkeit scheint mir ein wesentlicher Aspekt, den wir in die Kirche mit ihrer stärker hierarchischen Ausrichtung einbringen.
Für Franziskus ist die minoritas nichts Exklusives für die „Minderbrüder“, im Gegenteil ist sie für ihn die Grundhaltung eines jeden Christen, der in den Fußspuren Jesu Nachfolge leben will. Die minoritas zu leben heißt, mein Leben als Gabe und Aufgabe zugleich zu verstehen und die Welt und die Menschen mit den Augen Gottes zu sehen. „Je mehr es gelingt, diese minoritas als eine dem wahren Menschsein, seiner geschenkten Geschöpflichkeit entsprechende Charakteristik zu verwirklichen, wird die egoistische Aneignung von Besitz, Gütern, Reichtümern und Ressourcen, die das Leben vieler und auch der Umwelt zerstört, durch eine solidarische Freigiebigkeit und lebensfördernde Großzügigkeit abgelöst, die dem Frieden in der Welt dient“ (Johannes B. Freyer OFM).
Minoritas ist somit gelebte Brüderlichkeit innerhalb der Bruderschaft, ist Geschwisterlichkeit sowohl nach innen innerhalb der Franziskanischen Familie als auch nach außen mit den Menschen sowie mit allem Geschaffenen. Minoritas meint, Leben zu teilen und Gastfreundschaft zu pflegen, Ressourcen zu teilen und Solidarität zu üben sowie im Einklang mit der Schöpfung zu handeln. Mit den Weggemeinschaften und assoziierten Mitgliedern haben sich neue Formen des franziskanischen Miteinander-auf-dem-Weg-Seins gebildet. Im Umfeld der Franziskaner ist es die »Vivere«-Bewegung, deren Regionalgruppen ein Leben aus franziskanischer Inspiration in der Haltung der Geschwisterlichkeit zu praktizieren versuchen. „Wenn es dir gut tut, dann komm!“
In Demut und Geduld Minoritas üben heute:
- Grundhaltung des Friedens, der Demut und Geduld
- Grundhaltung der Dienstbereitschaft
Grüß Gott! Mit großer Interesse verfolge ich die Artikel über die 27 Elemente der franziskanischen Spiritualität!
Schreibe gerade meine Masterarbeit an der kath. Uni in Augsburg über den hl.Antonius , der ja auch ein glühender Franziskaner war, und wollte fragen ob ihr Material über die 27. Elemente habt und ich sie für meine Arbeit verwenden darf, herzliches vergelts Gott
Hallo Desi
Schön, dass Sie sich mit dem Leben unseres Mitbruders Antonius von Padua befassen. Sicher eine sehr bereichernde Arbeit.
Die genannten 27 Elemente franziskanischer Spiritualität sind keine Regel oder historische Zahl sondern eine sehr moderne Einordnung. Unser Bruder Stefan Federbusch, (er wohnt in Hofheim bei Frankfurt) hat sie identifiziert und aufgeschrieben. Sehr schöne Impulse, aber ich fürchte für ihre Arbeit eher ungeeignet, oder was hatten sie damit vor?