Das Franziskanische Zentrum für Stille und Begegnung (Exerzitienhaus) in Hofheim hat Mitte Mai die Tore und Türen wieder geöffnet. Seminare und Exerzitien mit einer begrenzten Zahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmer finden wieder statt. Das werde sie jetzt „ganz anders wertschätzen können als noch zu Beginn des Jahres“, schreibt eine Besucherin und fügt hinzu: „Das hat mich Corona schon gelehrt: Dankbar sein für das, was man hat und kann, und weniger selbstverständlich und beiläufig mitnehmen.“
Statt zur sonntäglichen Eucharistiefeier laden die Franziskaner in Hofheim jetzt an Samstagabenden zur Wort-Gottes-Feier am Gartenlabyrinth ein. Dabei soll der Verzicht auf die Eucharistie keine Notlösung sein. Die Brüder sind der Meinung: Die Corona-Krise bietet die Chance, Gottesdienste in neuen und ungewohnten Formaten zu feiern.
Der Gottesdienst im Freien hat guten Zuspruch. Am Samstag vor Pfingsten sitzen nahezu hundert Menschen – Frauen, Männer und einige Jugendliche – im Kreis in und um das Labyrinth und grüßen sich trotz des gebotenen Abstands herzlich.
Die Stimmung ist verhalten und konzentriert, aber auch heiter und zuversichtlich. Am Altar flattern bunte Tücher und Bruder Norbert beginnt mit einer Metapher von Wilhelm Wilms: „Der Heilige Geist ist ein bunter Vogel“. Die Natur lädt ein, zu schauen, zu hören und zu riechen. Und mit allen Sinnen zu beten. Hier ist es auch möglich zu singen – Petra begleitet die Gemeinde auf dem Akkordeon, das mit markanten Akkorden den Gesang stützt. „Dein Geist weht, wo er will“, singen alle mit und der aufkommende Abendwind bestätigt dies. Einige Nachbarn lauschen zurückhaltend auf ihren Balkonen. Ungewohnte Töne auf dem Platz, etwa, wenn eine Frau predigt:
„Pfingsten – die Zukunft ist offen. Die Zukunft gibt es nicht festgefügt, in Formeln und Riten. Sie entsteht in jedem Moment der Gegenwart, ist darum in jedem Moment veränderbar. Wir alle sind Kirche. Liturgie ist Werk des Volkes. Es braucht verschiedene Formen der Gottesdienste, nicht nur die Eucharistiefeier. Es darf auch experimentiert werden. Wir alle sind Experten. Neues wird mit Heiligem Geist erfüllt, sonst wird es zur Geisterbeschwörung.“
Nach der Feier hier und dort ein Schwätzchen. Viele freuen sich, wieder hierher zu kommen. Die Diskussion über Gottesdienste in Corona-Zeiten geht weiter. Manche äußern sich befremdet über Formen von Eucharistie, wie sie mancherorts Praxis sind. „Da fehlt mir die Communio“, sagt jemand. Eine andere Stimme „Ist es nicht ein Rückschritt in den Klerikalismus, wenn Priester allein am Altar stehen.“
Deutlich wird, Seelsorge ist – gerade in Krisenzeiten – mehr als Liturgie. Und Liturgie ist mehr als die Messe. Viele Menschen – vor allem auch jene, die jetzt allein in ihren vier Wänden bleiben müssen -, brauchen menschlichen Kontakt. Der Möglichkeiten sind viele: Telefon, Videokonferenz, Messengerdienste, eMail oder auch der alte Postbrief. Menschliche Zuwendung ist gefragt. Corona ist eine Anfrage an alle: an die Gesellschaft, an die Kirche, an uns als globale Familie. Die entscheidende Frage ist nicht, wie wir althergebrachte Rituale und Gottesdienstformen so modifizieren, dass sie den Hygienevorschriften entsprechen, sondern, ob wir präsent sind – nahe bei den Menschen, solidarisch mit denen, die ungeschützt sind, ohne es verhindern zu können. Liturgie ist eine Form, mit Gott bei den Menschen und Geschöpfen zu sein. Aber nicht die einzige.