11.10.2023 Bruder Jakobus-Maria Raschko

Der „Statusquo“ kennt keinen Lockdown und keinen Krieg

Situation der Franziskaner in der Grabeskirche in Jerusalem

Bruder Jakobus-Maria Raschko am heiligen Grab. Bild Deutsche Franziskanerprovinz

Ich lebe und arbeite in der Grabeskirche in Jerusalem und für uns gilt: Der „Statusquo“ kennt keinen Lockdown und keinen Krieg. (Der Statusquo regelt seit Jahrhunderten das friedliche Miteinander der fünf Konfessionen, die sich Platz und Zeit in der Grabeskirche teilen.) Wir Franziskaner kommen wie gehabt zu unseren Zeiten in die entsprechende Kapelle, um dort für die römisch-katholische Kirche die Stellung in der Grabeskirche zu halten. Da ist nicht viel Zeit und Platz für die „Außenwelt“.

Deshalb hatten wir die Sirenen und Alarme zuerst nicht ernst genommen. Wir hatten Mese gefeiert in der Grabeskirche und sind unseren Alltagsgeschäften nachgegangen. In der Altstadt von Jerusalem spürte man anfangs noch nichts. Erst später habe ich über Internet erfahren, was los war.

Aber natürlich bekommen wir die besondere Situation nun mit. Schnell waren die Lebensmittelgeschäfte nach Hamsterkäufen ausverkauft oder geschlossen. Mittlerweile sind die Regale wieder gefüllt. Die Straßen aber sind menschenleer, viele haben Angst und bleiben zu Hause. Die Schulen in unserer Nachbarschaft, deren Kinder ich sonst in den Pausen beim Spielen und Singen höre, sind geschlossen – wie viele andere Büros und Banken auch.

Es kommen auch keine neuen Pilger mehr an und viele andere sitzen fest und sind verzweifelt, weil die Fluggesellschaften Israel nicht mehr anfliegen. Die Schlange der Gläubigen, die sich sonst durch die Grabeskirche windet, um an das Grab Jesu zu kommen und dort zu beten, ist verschwunden. Sonst gab es Wartezeiten von über einer Stunde.

Die Grenze zu Palästina ist geschlossen, was eine direkte Auswirkung auf unseren Alltag hat: Unser angestellter Koch, ein arabischer Christ der in Bethlehem wohnt, kann nicht mehr zu uns kommen. Deshalb müssen wir Brüder uns selbst versorgen.

Uns stehen vermutlich auch in Jerusalem Tage ohne funktionierende Infrastruktur bevor. Strom, Wasser, Gas und Telefon könnten abgestellt werden. Wir haben jetzt Wasser in Flaschen abgefüllt, weil die Nachricht kam, dass wir uns für 72 Stunden autonom versorgen müssen, da bald mit einem Angriff der 300.000 Reservisten auf Gaza gegen die Hamas gerechnet wird.

Ich selbst fühle mich sicher, aber es fühlt sich gerade an wie die Ruhe vor dem Sturm.
Aber wir beten hier am Heiligen Grab weiter für den Frieden. Das ist es, was wir tun.


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