Bruder Othmar Brüggemann

Der Weg nach Osten

800 Jahre franziskanische Geschichte in Deutschland - Vergegenwärtigung Teil 1

Mauergraffiti eines Trabants. Symbole des Aufbruchs 1992. Bild von bounty auf Pixabay

Nach dem Zusammenschluss der Vizeprovinz der ehemaligen DDR mit der Sächsischen Franziskanerprovinz am 01. Januar 1992 reiften Überlegungen, eine Fraternität in einen sozialen Brennpunkt im Gebiet der ehemaligen DDR zu gründen.

Im Vorfeld des Provinzkapitels 1998 wurden 4 Brüder beauftragt Orte zu erkunden: Br. Rolf Fleiter, Br. Andreas Brands, Br. Martin Walz, Br. Othmar Brüggemann. Es fanden Gespräche mit den Bistumsleitungen in Magdeburg und Hamburg/Schwerin statt. Angeboten wurden als Orte Naumburg mit Schwerpunkt Pfarrei, Neubrandenburg mit Schwerpunkt Wohnen im sozialen Brennpunkt im Stadtteil Reitbahnviertel und Tätigkeiten bei der Caritas, d. h. Leitung des Kinder- und Jugend Notdienst, sowie Seelsorge im Seniorenzentrum, Gefängnisseelsorge und Klinikseelsorge.

Franziskaner in Neubrandenburg. Von 1998 bis 2004

Wir entschieden uns für Neubrandenburg, eine Stadt mit ca. 100. 000 Einwohnern zur Wende und eine der sozialistischen Hochburgen in der DDR! Unter anderen hatte hier die Kaderschule für Politiker der SED gelegen. Anteil der Christen etwa 12 %, darunter 4% Katholiken. Mit unserer Entscheidung knüpften wir an eine alte franziskanische Tradition an, weil es hier bis zur Reformation Franziskaner gegeben hatte.
Im Sommer 1998 zogen wir in die 3. und 4. Etage eines Plattenbaus ein, ohne Aufzug. Das meiste Mobiliar stammte vom aufgelösten Kloster in Attendorn. Die Wohnungen wurden mithilfe der Caritas saniert. Unser Motto war gemäß Franziskus: Geht zu den Menschen, lebt unter ihnen und wenn ihr nach eurer Lebensweise gefragt werdet, gebt Antwort.

Die meisten Einwohner des Viertels kannte Kirche und Gott höchstens vom Hören, waren aber offen, da sie über Generationen damit keine Erfahrungen hatten.

„Göttliches Quartett im Plattenbau“. Ein Zeitungsartikel von 1998 über die neue Gemeinschaft der Brüder in Neubrandenburg.

Als wir uns einrichteten, waren zentraler Bestandteil die Kapelle und eine Wohnküche. Hinzu kam das Einarbeiten in die neuen Aufgabenfelder und das Einleben im Viertel. Für uns war es Aufbauarbeit angesichts einer Mischung aus Offenheit, Skepsis und vorsichtiger Ablehnung. 4 Männer in einer WG, Doktoren! Das löste Vermutungen aus: „Warme Brüder?“ „Wollen die uns missionieren?“

Unterstützung bekamen wir vom Bistum, vom Pfarrer, der Kirchgemeinde, evangelischen Schwestern und Brüdern, Politikern der Stadt und vom Land Mecklenburg-Vorpommern.

Auf unseren Arbeitsfeldern wurden wir durchgängig geschätzt:

  • Für Br. Andreas stand Grundlagenarbeit als Leiter einer Caritaseinrichtung im Kinder- und Jugendnotdienst unweit unseres Wohnortes an. Die Einrichtung hatte bald einen guten Ruf.
  • Br. Rolf wirkte als Seelsorger im Seniorenzentrum: Auch hier viel Neuland!
  • Br. Martin übernahm die Gefängnisseelsorge in der JVA Neubrandenburg, dann kam JVA Neustrelitz, später JVA Waldeck zu. Auch hier wert geschätzte Aufbauarbeit. Oft kamen Gefangene auf Freigang zu uns in der Wohnung zum Kaffee trinken.
  • Br. Othmar arbeitete als Klinikseelsorger: Neben der vielgestaltigen Arbeit im Klinikum kam der Aufbau eines ambulanten und stationären Hospizes dazu, vom christlich, humanistischen Dreikönigsverein initiiert und durchgeführt.

Im Stadtteil waren schnell Kontakte geknüpft, wir luden unsere Nachbarn ein, hatten regelmäßig einen offenen Treff bei uns in der Wohnung, machten Angebote im Bürgerhaus des Stadtteils, waren mittendrin bei Festen und Einsätzen, zeitweise wurde von uns eine zusätzliche Wohnung von der Caritas angemietet – als Dach für Körper und Seele für Obdachlose und Gestrandete.

In der katholischen Gemeinde und in der Ökumene arbeiteten wir mit bei Gottesdiensten, Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen, Themenabenden und der Jugend, …

Nach drei Jahren wurden Br. Rolf und Br. Andreas im Anschluss an das Provinzkapitel woanders gebraucht. Br. Heinrich Rothaus und Br. Alfons Czaja rückten nach. Br. Heinrich übernahm die Stelle von Br. Rolf, Br. Alfons übernahm eine neue Stelle in einer evangelischen Einrichtung für Menschen mit Handicap in Weitin. Beide gaben sich ganz hinein und wirkten segensreich.

Neubrandenburg war für beide gleichwohl nicht die erste Wahl gewesen, bald war klar, dass sie nach drei Jahren wechseln wollten. Es fanden sich keine neuen Brüder und zeitgleich kam die Anfrage vom Bistum, im selben Dekanat die Pfarrei Waren zu übernehmen. Br. Martin zog mit neuen Mitbrüdern nach Waren. Damit blieb franziskanisches Ordensleben in Mecklenburg-Vorpommern.

Die 6 Jahre in Neubrandenburg haben tiefe und segensreiche Spuren bei den Menschen vor Ort und bei uns Brüdern geprägt. Gott sei es gedankt!


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