28.07.2023 Pater Thomas Ferencik

lau-da -to si o mio Sig-nore, …

<> Der Kommentar der Woche

Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Pater Thomas Ferencik mit Studierenden der KHG Hamburg

Wer kennt nicht das Lied „Laudato si“. Ein Lied, das bei Taufen, Hochzeiten, Erstkommunion oder Firmung nicht fehlen darf. „Laudato si“ erinnert an den Sonnengesang des heiligen Franziskus. Geschrieben hat es Winfried Pilz. Winfried Pilz? Da war doch was – genau, dieser ehemalige Jugendseelsorger und Präsident der Sternsinger „soll in den 70er-Jahren einen jungen Mann missbraucht haben. Später meldeten sich noch andere Betroffene mit weiteren Vorwürfen.“

Die Nachricht ist bereits vom Juni 2022, ist aber auch heute noch immer wieder Grund für Diskussionen in unserer Gemeinde: darf so ein beliebtes Lied denn noch in Gottesdiensten gesungen werden? Die Meinungen reichen von „geht gar nicht“ bis „die Leute wollen es singen“. Wie sollte man also mit Werken von Missbrauchstätern und –beschuldigten umgehen?

Genau diese Frage versuche ich für mich klarzubekommen. Sosehr ich für Bestrafung und konsequente Aufarbeitung bin, ich frage mich, was das Lied „Laudato si“ charakterisiert. Zunächst ist es ja ein Loblied für Gott, nicht für Winfried Pilz. Warum sollte ich dieses Loblied also nicht verwenden dürfen? Oder wird es inhaltlich schlechter, weil der Komponist ein Missbrauchstäter ist? Ich tendiere dahin, den Grundsatz anzuwenden: Prüft alles und behaltet das Gute! (1 Joh 4,1)

Ich denke, die Frage nach dem Komponisten sollte hinter der Frage stehen, was das Lied für Christen bewirkt. Möglicherweise wäre ein Umgang mit dem Lied wie bei Straßennamen angemessen. Schon längst gibt es bei Namen, die in der Kritik stehen, zusätzliche Beschreibungen. Hier folgt man der Logik, wenn erst einmal etwas verschwunden ist, redet keiner mehr darüber. Warum also nicht eine Beschreibung unter den Liedtitel setzen. Somit würde das Loblied auch zu einem Mahnlied werden – eine Erinnerung daran, dass unsere Kirche Fehler begeht und der ständigen Erneuerung bedarf.


Der Blick zurück, der Blick nach vorn, und der Blick nach innen.
Franziskaner kommentieren, was wichtig ist.
Immer freitags auf franziskaner.de


4 Kommentare zu “lau-da -to si o mio Sig-nore, …

  1. Danke für die Kommentare zu der Frage, muss man ein Werk vernichten, weil dessen Urheber mal gesündigt hat. Ist die kath. Kirche zu verteufeln, weil einige Mitglieder der Kirche Falsches getan haben? Wie lange muss das Wort Missbrauch noch für Schädigungsversuche gegen die Kirche herhalten?

  2. Liebe Kommentator*innen auf dieser Seite oder bei Facebook, zwischenzeitlich möchte ich mich an dieser Stelle für die fairen und konstruktiven Beiträge bedanken. Ungeachtet der eigentlichen Fragestellung nehme ich wahr, dass das Thema Missbrauch viele von uns erschüttert, sprachlos und auch wütend macht. An ihren und euren Reaktionen erahne ich, dass die zugetragenen Verletzungen gegenüber den Betroffenen von sexuellem, geistlichem oder physischem Missbrauch auch unsere christliche Heimat ins Wanken bringen.
    Leider werden uns derartige Fragen, wie diese nach dem Umgang mit Werken von Missbrauchstätern, noch lange beschäftigen. Vorrangig sehe ich für uns die Herausforderung, wie wir eine Erinnerungskultur schaffen können, um auch zukünftig sensible zu bleiben.
    Leider kann ich heute schon ein gewisses Desinteresse oder gar eine Ablehnung mit der Projektion auf andere Institutionen, wie z.B. Sportvereine, beobachten. Ich bin deshalb froh und dankbar, dass es noch Menschen wie sie und ihr gibt, die sich aktiv am Diskurs beteiligen, um Kirche neu aufzubauen und zu gestalten oder um sich für eine Gesellschaft einzusetzen, in der Missbrauch keine Chance hat. Also vielen Dank!

  3. Es gibt Grenzbereiche, in denen das Wort Jesu, ein guter Baum bringe gute und ein schlechter Baum bringe schlechte Früchte hervor, seine Plausibilität einbüßt. Auch die vollkommenen Werke in Kunst, Musik und Literatur stammen in unendlich vielen Fällen von Menschen, die schwerlich als Vorbilder dienen dürften – gerade auch die epochalen Werke. Jedem wird auf Anhieb sofort der eine oder andere Name einfallen. Ja, man verehrt bis heute offiziell Heilige, die inzwischen schwerlich als Vorbilder dienen dürften. So ist jener spanische „Heilige“, der als Gründer des Opus Dei verehrt wird, in meinen Augen zumindest ein geistig-geistlicher Missbrauchstäter… Aber nicht darauf will ich hinaus, sondern möchte zu bedenken geben, dass es keine Lösung ist, die Werke die moralisch verwerflichen Untaten ihrer Urheber entgelten zu lassen (es gibt ähnlich gelagerte Fälle auch im Franziskanerorden in Deutschland). Ich sehe keinen Grund, das Lied nicht zu singen, zumal die Melodie ursprünglich nicht von Pilz stammt und Text und Botschaft auf den Heiligen Franziskus verweisen, der nun wahrlich erhaben ist angesichts all es Schmutzes, der sich leider auch in der Kirche zeigt. Gott sei Dank, dass die Zeit der systematischen Vertuschung der Vergangenheit anzugehören scheint.

    1. Liebe Frau Schaffrath

      Ich stimme Ihnen auf ganzer Linie zu. Ich habe die „Verurteilung“ des Liedes von Anfang an für einen ausgemachten Blödsinn gehalten. Der „Erschaffer“ von „Laudato si“ ist zu verurteilen, aber doch nicht diese Melodie und der Text! Und ich frage mich, wie weit man ginge, wenn – wie Bruder Thomas schreibt – zum Liedtitel ein Zusatz über Winfried Pilz hinzugefügt würde. Muss dann bei jeder Ankündigung des Liedes auch noch erwähnt werden, dass man jetzt das Produkt eines Missbrauchstäters singt?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert