Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren die Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.
Am 21. Januar 2009 war in verschiedenen Medien zu lesen: „Phänomen Obama: Lange nicht mehr hat es einen solchen Charismatiker, einen solchen Menschenfischer gegeben. Als er vor zwei Jahren seinen Kampf ums Weiße Haus begann, gab niemand einen Pfifferling auf ihn; haushohe Favoritin war damals Hillary Clinton. Praktisch über Nacht wurde der Schwarze aus Chicago zur Lichtgestalt. Geradezu begierig zieht Amerika seine Botschaft auf – Hoffnung, Wandel, amerikanischer Traum … Machtwechsel als Zeitenwechsel …“.
Es folgte 2016 mit Donald Trump ein Zeitenwechsel hin zu einem Menschenfischer der anderen Art, der durch sein narzisstisches Selbstverständnis und seine Demagogie seine Nation in eine tiefe Spaltung führte. Der als erster Präsident nach 150 Jahren nicht an der Amtseinführung seines Nachfolgers teilnahm.
Diese Woche also erneut eine Zeitenwende und ein neuer „Menschenfischer“. Einer, der es als seinen Auftrag ansieht, die Nation wieder zu einen. Als „Lichtgestalt“ dürfte jetzt Kamala Harris gelten, die als erste Schwarze das Amt der Vizepräsidentin ausübt. Wir wissen, wie schnell der Glanz von charismatischen Lichtgestalten verblassen kann. Mit religiösen Kategorien als politische Zuschreibungen ist daher Vorsicht geboten.
Für Papst Franziskus mit seiner Vision einer geschwisterlichen Welt und seinem Bild der Vielfalt einer Gesellschaft, in der die Unterschiede zusammenleben, sich gegenseitig ergänzen und bereichern, ist ein Politiker dann ein Menschenfischer, wenn er den ersten Schritt macht, verschiedene Stimmen zu hören, da wo „Formen von Fanatismus, von hermetisch abgeschotteten Denkweisen und die gesellschaftliche und kulturelle Fragmentierung wachsen“ (Enzyklika Fratelli tutti 191). Ein Menschenfischer also, der nicht ausgrenzt, sondern integriert. Ein Netzwerker, der sich nicht im Netz der Lüge verfängt, sondern soziale Beziehungsnetze knüpft. Machtwechsel sind Zeitenwechsel …
PS: Wenn Sie an diesem Wochenende das Evangelium von der Berufung der „Menschenfischer“ hören, dann fragen Sie sich doch einmal, wie Sie diesen Auftrag ganz konkret ausüben wollen …
Der Blick zurück, der Blick nach vorne, und der Blick nach innen.
Franziskaner kommentieren, was wichtig ist.
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