14.05.2021 Pater Thomas Ferencik

Reden über Ökumene? Nicht schon wieder …

<> Der Kommentar der Woche

Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Pater Thomas Ferencik mit Studierenden der KHG Hamburg

In diesen Tagen findet der Ökumenische Kirchentag in Frankfurt statt. Auf dem Programm stehen viele gemeinsame Veranstaltungen, die Christen verschiedener Konfessionen zusammenführen sollen. Mit großem Aufwand werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausgestellt.

Aber wie sieht es an der Basis aus? Mein Eindruck ist, dass bei den Menschen das Thema Ökumene kein Thema mehr ist. Nicht, weil sie Christen anderer Konfessionen schrecklich fänden – nein, im Gegenteil, weil es für sie keinen Gegensatz gibt, der im großen Stil bearbeitet werden müsste. Ökumene ist ein Thema der Theologen und einiger anderer, nicht aber der Mehrheit der Gläubigen.

Dazu ein paar Beispiele aus der Hochschulgemeinde Hamburg

  • Ich sage dem Gemeinderat, dass ein Mitglied der Gemeinde evangelisch sei. Darauf folgt die Antwort: „Das haben wir gar nicht gemerkt“.
  • Bei konfessionsverschiedenen Paaren stellt sich meistens die Frage, wo sie ihr Kind taufen lassen wollen. Nicht selten überlegt man, wo sich der nächste konfessionelle Kindergarten oder die evangelische bzw. katholische Grundschule befindet. Dann greift der religiöse Pragmatismus und nicht der ökumenische Gedanke.
  • Unser Gemeinderat besteht aus 6 Mitgliedern. In einem Jahr war dieser mit 3 evangelischen Studierenden vertreten. Keinem fiel das auf, keiner fragte nach.
  • Es gibt katholische Studierende, die an den Veranstaltungen und Gottesdiensten der Evangelischen Studierendengemeinde teilnehmen. Der Grund ist, dass die ESG einen Chor hat.
  • Der evangelische Fachbereich nutzte über lange Zeit unsere Kapelle für seine Gottesdienste. Gelegentlich wurde ich engagiert, die Gebete und den Segen zu sprechen.

Wenn ich z.B. die Evangelische Studierendengemeinde mit unserer Hochschulgemeinde vergleiche, dann erkenne ich mitunter weniger Unterschiede, als bei einem Vergleich zwischen unserer Gemeinde und der benachbarten katholischen Pfarrgemeinde. Das zeigt, wie bunt Kirche über die Konfessionsgrenzen hinweg sein kann.

Sicherlich werden einige jetzt sagen, so einfach kann man es aber nicht machen, wir müssen schon die tiefgreifenden und theologisch fundierten Unterschiede beachten. Und gern wird dann auch auf das geschichtlich Gewachsene verwiesen.

Mag alles sein, aber der Mehrheit an der Basis interessiert das nur sehr wenig. Und deshalb scheint es mir fraglich, ob man überhaupt noch von Ökumene oder einem Ökumenischen Kirchentag sprechen sollte. Das klingt mir fast so, als wolle man denen, die keine Unterschiede erkennen, Unterschiede einreden.


Der Blick zurück, der Blick nach vorne, und der Blick nach innen.
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Ein Kommentar zu “Reden über Ökumene? Nicht schon wieder …

  1. Dieser Kommentar ist herzerfrischend. Ganz herzlichen Dank dafür. Weiter so! Alles Gute, Elvira

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