Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.
2015 bin ich selbst in den Messehallen in Hamburg unterwegs gewesen, hab mit angepackt und einen 7,5 Tonner gefahren, um Spenden von A nach B zu bringen. „Wir schaffen das!“, war nicht nur irgendein Satz, sondern ein Aufruf an die Menschlichkeit, dem Millionen gefolgt sind.
Acht Jahre später scheint mir aus dem „WIR“ ein „IHR“ geworden zu sein. IHR müsst das schaffen! Gemeint sind die Kommunen, die Hilfseinrichtungen und die Ehrenamtlichen.
Was fehlt, ist die Stimme der Innenpolitik. Ich meine damit nicht das Lamentieren über Zahnarzttermine. Mir fehlt das sichere und geeinte Auftreten, eine klare Zukunftsvision und ein Maßnahmenpaket, das auch greift. Seit Jahren geht man gegen die Schleuser vor, doch erreicht wurde offensichtlich nichts. Seit Jahren spricht man von einer gelingenden Integration, doch gerade in den Großstädten zeigt sich, wie anfällig das System ist. Die Zahl derer, die auf der Straße enden, nimmt zu. Ein Gang durch den benachbarten Schanzenpark zeigt, womit Geflüchtete ihren Lebensunterhalt verdienen.
Ich vermisse einen Generalplan, in dem z.B. auch der Wohnungsbau oder eine integrative Schulausbildung (inklusive Deutschunterricht) eingebaut sind, wirkungsvolle Maßnahmen gegen die Bildung von Parallelgesellschaften oder Gettos, klare und erkennbare Strukturen, die eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben verbindlich machen.
Sicherlich gibt es einzelne Umsetzungsversuche. Aber ihre Wirkung verpufft, weil entweder die Zuständigkeiten nicht geklärt sind oder Verantwortungen mit dem Argument der Länderkompetenzen abgewälzt werden.
Diese, in meinen Augen, schlechte Politik schafft Unsicherheit und Wut. In der Tat haben wir ein Problem in Deutschland. Wenn die Stimme der Verantwortlichen fehlt, die verständliche und erkennbare Perspektiven aufzeigt, findet jene Stimme Gehör, die vereinfachte, populistische und menschenverachtende Lösungen vorgibt.
Der Blick zurück, der Blick nach vorn, und der Blick nach innen.
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Lieber Bruder Ralf, hab vielen Dank für die ausführlichen Zeilen. Ja, mit Sicherheit kann man die Liste derer, die mit den Auswirkungen der gesellschaftlichen Entwicklung konftrontiert sind, erweitern. Ebenso sehe ich z.B. auch die Art und Weise der Unterstützung als einen Punkt, über den man erneut reden sollte. Worüber ich Dir besonders dankbar bin, ist der letzte Abschnitt. Ich konnte mich leider wegen der Kürze des Artikels nicht mit der Ursachenfrage auseinandersetzen. Daher habe ich bewusst nur die Innenpolitik angesprochen. Aber das Thema Entwicklungshilfe, einhergehend mit einer gerechten Verteilung all unserer Ressourcen, sehe ich auch als das zentrale Thema, welches den Kern der Probleme ausmacht. Und leider sehe ich da auch keine positive Entwicklung. Zu alledem kommen nun auch noch die Auswirkungen des Klimawandels hinzu. Das Thema habe ich gewählt, weil ich auch hier in Hamburg Menschen erlebe, die besorgt sind und Angst haben. Meine Sorge ist deshalb, dass dieser Ratschlag, „Angst ist kein guter Ratgeber“, zumindest in diesem Zusammenhang, uns abhanden kommen könnte. Liebe Grüße!
Lieber Bruder Thomas
Der Satz „Wir schaffen das“ wurde von einer ehemaligen FDJ-Funktionärin geprägt, die von ihrem Wessi-Mentor später „mein Mädchen“ genannt worden ist. Dass aus einem „wir“ ein „ihr“ geworden ist, war eigentlich damals schon abzusehen. Die Handhabung der ersten Flüchtlingswelle mitten aus Europa, nämlich während des Balkankrieges, war schon kein genereller Erfolg, denn auch hierbei fand bereits eine gewisse Abkapselung der Geflüchteten statt. Dann kam der Syrienkrieg. Und wieder gab es eine Fluchtwelle gen Europa. Und damit begann dann auch die Ghettoisierung derjenigen, die zwar die Annehmlichkeiten von Frieden und Ruhe im dekadenten Westen suchten, aber sich nicht integrieren wollten. Damit einhergehend dann die Flüchtenden aus Nordafrika. Hier ist besonders auf den Lybien-Clan hinzuweisen, der sein Unwesen im Ruhrgebiet treibt und dem die Polizei nicht Herr wird. Inzwischen schliessen sich diesen Wellen andere afrikanische Imigranten an. Ich erinnere mich an meine Zeit in der Thuringia, als ältere Mitbrüder sagten: „Das ist nicht mehr der Orden, in den ich eingetreten bin.“ Wann immer ich in meine Heimatstadt Köln reise, dann kann ich nur noch enttäuscht, deprimiert und auch angstvoll sagen: Das ist nicht mehr meine Heimat, in der ich aufgewachsen bin. Und dabei meine ich noch nicht einmal den verlotterten Zustand der Strassen und den Dreck, den man überall sieht. Mag sein, dass ich oberflächlich betrachtet hier in der Schweiz auf einer „Insel der Glückseligen“ lebe. Aber seit meinem Zuzug 1995 hat sich die Schweiz verändert – auch dank oder undank der Fluchtwellen. Es ist unsicherer auf den Strassen geworden. Neben Einbrüchen und Diebstählen hat auch die Gewalt gegen Mitglieder aus dem Bereich des LGBTQ+ wieder zugenommen. Und auch hier werden die Stimmen der Ewiggestrigen wieder lauter – genau wie im Rest Europas und in den USA. Betrachte es jetzt nicht als persönlichen Angriff, aber Ihr Brüder „dürft“ Euch auf die Strasse und in die Brennpunkte der Gesellschaft begeben. Aber Ihr MÜSST nicht. Ihr könnt Euch jederzeit zurückziehen, hinter die sicheren Klostermauern. Aber habt Ihr auch schon einmal an diejenigen gedacht, die tagtäglich in diesem Umfeld leben müssen und sich nicht zurückziehen können? Das sind nämlich diejenigen, die Du bei der Aufzählung unter „Ihr“ vergessen hast. Das ist die heimische Bevölkerung. Sie ist doch konfrontiert mit den Diebstählen, Überfällen, Einbrüchen, Gewalttaten und Drogenhandel. In den letzten Monaten mehren sich in den Schweizer Zeitungen die Meldungen über diese Delikte. Verhaftet werden dabei in den allermeisten Fällen nordafrikanische Asylanten. Da fragt man sich unweigerlich: Ist das der Dank all dieser Straftäter für die Aufnahme in den westlichen Ländern? So weit ich informiert bin, werden Flüchtlinge dank der guten Sozialsysteme (zumindest in Deutschland und der Schweiz) mit Nahrung, Kleidung, ärztlicher Betreuung und einer Schlafstelle versorgt. Das ist übrigens mehr als die Menschen bekommen haben, die von 1944 an aus ihrer Heimat in Ostpreussen, Schlesien usw. vertrieben worden sind! Und niemand der heutigen Flüchtlinge, niemand von ihnen muss sich Geld mit kriminellen Aktivitäten verdienen. Ohnehin ist es schlichtweg der absolut falsche Weg, die halbe Welt nach Europa kommen zu lassen. Das sagt einem doch schon der gesunde Menschenverstand. Die Hilfe zumindest für die Fluchtwelle aus wirtschaftlichen Gründen muss VOR ORT erfolgen. Sicher, die bisherige Entwicklungshilfe mit ihren seit Jahrzehnten erfolgten Milliardenzahlungen hat versagt, weil das Geld nicht dort ankommt, wo es gebraucht wird. Es muss also ein generelles Umdenken erfolgen, damit denjenigen geholfen werden kann, die Hilfe brauchen und das Geld nicht in dunklen lokalen Kanälen versickert. Es muss Hilfe zur Selbsthilfe sein, so wie es die Mikrokredite z.B. tun. Wenn diese Hilfe gelingt, dann bleiben denjenigen, die das „Ihr“ darstellen, Bilder von unbegleiteten jungen männlichen Flüchtlingen erspart, die zur Begrüssung ganz offen in die Kameras der Presse das Zeichen des Halsaufschlitzens machen. Ich habe dieses Bild nicht vergessen und werde es auch nicht. Und ich teile die Angst der Menschen, die konfrontiert sind mit dem „Ihr schafft das schon“.