22.03.2021 Marion Eckert

Regenbogenfahne auf dem Kreuzberg.

Nein zum Nein aus Rom

„Jesus ist bei allen, die heute die bunte Fahne tragen.“ Bruder Korbinian Klinger, Guardian des Klosters Kreuzberg zeigt Flagge. Eine leuchtend bunte Regenbogenfahne hat er am Freialtar vor der Klosterkirche am Sonntagnachmittag gehisst. Sie unterstützt den Aufruf „Segen für Alle.“

Gleichzeitig möchte Bruder Korbinian sie als Zeichen der Solidarität mit vielen weiteren Haupt- und Ehrenamtlichen der Katholischen Kirche in ganz Deutschland verstanden wissen, die in den vergangenen Tagen an Kirchen die Regenbogenfahne hissten. Mit dieser Aktion wenden sich die Akteure gegen das Nein der römischen Glaubenskongregation zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. „Nein zum Nein aus Rom“, fasst Bruder Korbinian zusammen.

Unser Gott ist bunt

„Freude der Liebe“ lautet der Titel des Buches von Papst Franziskus, das Bruder Korbinian Klinger, der Guardian des Kloster Kreuzberg, in Händen hält. Die Regenbogenfahne hat er am Freialtar gehisst als Zeichen der Unterstützung für den Aufruf „Segen für Alle.“ Foto: Marion Eckert

Am Sonntagnachmittag habe er beim Spaziergang über den Kreuzberg über die Ansage aus Rom, gleichgeschlechtlichen Paaren den Segen Gottes zu verweigern, nachgedacht. In einem Mülleimer fand er einen zerbrochenen Regenbogenschirm, den wohl ein Besucher entsorgt hatte. „Danach war es für mich gar kein Thema mehr, die Regenbogenfahne zu hissen.“ Die Fahne hatte er aus Wiedenbrück mitgebracht, dort kam sie allerdings in anderem Zusammenhang zum Einsatz. Sie passe aber hervorragend zum aktuellen Thema. „Unser Gott ist bunt“, ist er überzeugt und dies zeige sich in der Vielfalt der Menschen. Freudig überrascht war er, als er spontanen Applaus einiger zufällig vorbeikommender Wanderer bekam, die das Zeichen der Regenbogenfahne zu deuten wussten.

„Ich werde weiterhin alle Menschen segnen, die einen Segen erbitten, und das in einem würdigen und angepassten Rahmen“, hebt er hervor. Das betreffe sowohl einzelne Menschen wie auch Paare, Gruppen, in glückenden oder in und nach gescheiterten Beziehungen.

Dazu hat die Kirche kein Recht

Bruder Korbinian stellt klar, dass es bei gleichgeschlechtlichen Paaren, die den Segen erbitten, ebenfalls um verlässliche Beziehungen gehe. Unverständlich ist für ihn, warum die Katholische Kirchen Menschen gleichen Geschlechts, die sich lieben und miteinander alt werden wollen, den Segen abspreche und gar noch die Sexualität vorschreibe beziehungsweise verbiete. „Es wird ihnen Enthaltsamkeit auferlegt, ein grundsätzlich ein zölibatäres Leben verlangt, dazu hat die Kirche kein Recht.“ Schon im Theologiestudium habe ein Moraltheologe seinen Studenten mit auf den Weg gegeben: „Haltet euch aus dem Schlafzimmer der Leute raus.“

Gleiches gelte für geschiedene Menschen, die wieder geheiratet haben, betont Bruder Korbinian. Auch ihnen Enthaltsamkeit und ein Leben wie Bruder und Schwester vorzuschreiben, sie irreal und überzogen.

Lebensfremde Sexualmoral

Bruder Korbinian Klinger bezieht sich auf die Thesen der Initiative Maria 2.0, die er vor kurzem am Kreuzberg öffentlich aufhing. Unter These vier heißt es: „Unsere Kirche zeigt eine wertschätzende Haltung und Anerkennung gegenüber selbstbestimmter achtsamer Sexualität und Partnerschaft. Denn die offiziell gelehrte Sexualmoral ist lebensfremd und diskriminierend. Sie orientiert sich nicht am christlichen Menschenbild und wird von der Mehrheit der Gläubigen nicht mehr ernst genommen.“

Vielfältige Dinge werden von der Kirche gesegnet. An Dreikönig die Wohnungen und Häuser, an Fronleichnam werde das Allerheiligste durch die Städte und Gemeinden getragen. Es gebe Flursegen und Segen für alle Arten von Dingen. „Und dann schließen wir Menschen aus? Wir sollen doch den Himmel offenhalten und segnen.“

Seine Erfahrung als Klinikseelsorger in München, im „Projekt-Omnibus“ habe ihm gezeigt wie wichtig, trostreich und stärkend der Segen sein kann. „Für Mütter und deren neugeborene Kinder, deren todgeborenen Kinder, sterbende, verstorbene Kinder und Erwachsene und die um sie trauernden, die Gräber der verstorbenen Kinder und Erwachsenen, Kinder vor der OP, Kinder und deren Betreuungspersonen in der Phase der Besserung. Ich habe Kinder in Lebensgefahr oder im Sterbeprozess getauft. „Es gab nie eine Nachfrage vom Ordinariat München nach Konfession der Eltern, Disposition.

Ihr seid uns willkommen

Dass dieses Tun nicht ganz daneben gewesen ist, ist durch die Verleihung des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland deutlich geworden. In der Begründung hieß es unter anderem: „…haben sich herausragende Verdienste erworben, die weit über eine normale Seelsorgetätigkeit hinausgehen. … einen bemerkenswerten sozialen und kirchlichen Dienst … ist sozial und pastoral von unschätzbarem Wert …“ In diesem Sinne möchte Bruder Korbinian nun am Kreuzberg wirken und tätig sei. Sein grundsätzlicher Auftrag als Franziskaner sei, den Fußspuren Jesu zu folgen und durchaus kritisch auf die Entwicklungen zu schauen.

Kritisch stehe er der Aussage von Würzburgs Bischof Franz Jung zum Nein der römischen Glaubenskongregation auf die Frage nach der Segnung homosexueller Paare gegenüber. Jung sagte, dass das Bistum Würzburg, offen für alle Menschen, unabhängig ihrer sexuellen Orientierung sei und diese begleite, wenn sie Hilfe benötigen und wünschen. Bruder Korbinian: „Wir haben diese Randgruppen ohnehin schon verloren. Kirche muss aktiv rausgehen und sagen: Ihr seid uns willkommen.“


4 Kommentare zu “Regenbogenfahne auf dem Kreuzberg.

  1. Liebe*r D. Borrmann
    und lieber Bruder Ralf,

    von Euch zu lesen macht Mut, wenn ich auch sehr spät herein schaue… Doch auch ich mag nicht schweigen. Es freut mich zu sehen, dass der Glaube an das Gute zu überwiegen scheint, für den Himmel wie für die Erde, trotz allem Schmerz und aller (verständlichen) Verzweiflung. Mir gibt das Kraft nach vorne zu blicken – in eine Zukunft für uns alle*. Und es freut mich, ehrlich, dass viele Menschen ihre Stimme erheben. Denn das kann ein Echo im Herzen auslösen.

    Wenn ich eine Regenbogenfahne sehe, so denke ich nicht „man will mich meiner weissen Cis-Identität berauben“ oder „die Kirche ist dem Untergang geweiht“. Totgesagte leben bekanntlich länger, und wer auf die Geschichte der Kirche blickt, erkennt schnell, dass in ihr stetig ein lebendiger Wind der Wandlung wehte. Trotzdem ist sie noch da… Daher verhält das Argument der Angst der Traditionalist*innen für mich persönlich entsprechend nur bedingt. Ich kann den Eindruck eines Schubladisierens eher nachvollziehen, gerade auch, da ich aus dem Spektrum von LGBTQIA+ schon aggressiv wirkende Stimmen vernommen habe. Es waren jedoch nur Einzelne – auch anderen Gruppierungen “menschelt“ es eben… Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten Menschen einfach nur in Ruhe und Frieden existieren wollen. Wenn es ihnen ein Bedürfnis ist, sich entsprechend ordnen zu wollen, wer bin ich, darüber zu urteilen, gerade als Person, die vielleicht von einer solchen Situation nicht selbst betroffen ist? Jede*r hat einen eigenen Weg. Mir reicht das Wissen darum, um eine Person akzeptieren zu können, und um sie weiter lediglich für mich selbst mit “Mensch“ zu labeln.

    Wenn ich eine Regenbogenfahne sehe, dann freue ich mich!
    Ich freue mich, wie vielleicht ein innerlich klein gebliebenes Kind, über die bunten Farben.
    Ich denke an Noah, für den dieses Bundeszeichen etwas ganz Besonderes und Wichtiges war.
    Ich denke an die Taufkerze meines geliebten, kleinen Brüderchens: nach unserer Konvertierung vom Protestantischen zum Katholischen haben wir die schlichten, weissen Kerzen – die wir wundersamerweise erhielten, da unser ref. Dorfpfarrer sich sehr für die Ökumene stark machte! – reich und freudig geschmückt. Auf der Kerze meines Bruders prangt ein leuchtender Regenbogen aus Wachs. Sein Strahlen ist nach all den Jahren noch nicht verblasst!
    Ja, mir ist der Regenbogen, und mit ihr auch die Fahne, mehr als “nur“ ein Zeichen einer sexuellen Schubladisierung. Sie ist für mich Symbol der Freude, der Vielfalt und der Liebe, der Verbundenheit!
    Wenn ich sie in der Nähe einer Kirche im Wind tanzen sehe, freue ich mich ehrlich und ohne Vorbehalt, ohne Hintergedanken, darüber, dass Menschen hier ein Stück Heimat geboten wird – dass sie SO willkommen sind, herein kommen und bleiben dürfen, wie sie eben sind, wo immer sie im Leben stehen, so vielfältig und doch einzigartig, wie sie geschaffen wurden.

    Und ich denke, auf diese Art der bedingungslosen Hingabe und Liebe kommt es, letztendlich, an.
    Hören wir, gemeinsam, nicht auf damit, auf eine gemeinsame Zukunft hinzuarbeiten und zu hoffen – und uns miteinander, aneinander und füreinander zu freuen.

    Allen Lesenden, die bis hier hin so viel Geduld und Ausdauer bewiesen haben, liebe Grüsse aus der Schweiz!
    Pax et bonum!

    1. Liebe/r D. Borrmann

      Um ehrlich zu sein: Es ist nicht leicht, in dieser unserer Kirche zu bleiben. Sie war so lange Heimat für mich, erdrückt mich aber schon länger mit ihrer Halsstarrigkeit und ihrem Denken und Handeln. Und doch bin ich weiter ein Teil dieser Kirche.

      „…machen Mut weiter zu leben…“ – diese Aussage freut mich auf der einen Seite, macht mir aber auch Sorgen. Ich bin kein Priester. Ich bin nicht im ersten Orden der Franziskaner, sondern nur im Dritten Orden. Aber wenn Bedarf für ein Austausch besteht, dann kann ich Ihnen gern meine Mailadresse zukommen lassen.

      Ich wünsche Ihnen Gottes reichen Segen!

      Pace e bene

      Ihr Bruder Ralf

  2. Regenbogenfahne auf dem Kreuzberg
    Wer dem Kreuz nicht mehr über den Weg traut, sucht sich eben neue Symbole. Ich war dabei, 1987 auf dem Dresdner Katholikentreffen in tiefsten DDR-Zeiten. Kardinal Meisner, den man ja heute auch nicht mehr zitieren darf, sagte damals: „Wir wollen keinem anderen Stern folgen als dem von Betlehem“. Das waren die ersten Gedanken, die mir kamen, als ich las und sah, dass in Kirchen, vornehmlich Westdeutschlands und der Caritas plötzlich Regenbogenfahnen aufgezogen wurden. Spielte es bisher im Alltag überhaupt keine Rolle, wer welches Geschlecht hat und wer wie orientiert ist, machen Sie plötzlich eine Baustelle auf. Sie versöhnen damit nicht, sondern spalten. Ich finde das schlimm, vor allem, dass man sofort als homophob gilt, wenn man dazu eine andere Meinung hat. Tragen Sie die Regenbogenfahne im Fronleichnamszug 2021 eigentlich vor dem Kreuz oder danach…

    1. Selbst wenn meine Brüder aus dem ersten Orden mit ihren Antworten auf Kommentare vielleicht zurückhaltender sind, so will und kann ich nicht schweigen. Mir scheint, es ist Ihnen, Frau Müller, entgangen, dass der Regenbogen ein ganz wichtiges Symbol im Alten Testament ist, nämlich das Zeichen für den Bund zwischen Gott und den Menschen. Sie selbst zitieren Kardinal Meisner und bringen den Stern von Bethlehem ins Spiel. Wollen Sie damit etwa Stern gegen Regenbogen ausspielen? Nebenbei bemerkt: Die Regenbogenfahne, die zuerst von der LGBT-Gemeinschaft verwendet worden ist, steht für die Vielfalt der Schöpfung; für die Verschiedenheit der sexuellen Ausrichtungen, die dennoch eins sind – so wie die verschiedenen Farben den einen Regenbogen bilden.

      Ich weiss nicht, wie Sie darauf kommen, den Franziskanern zu unterstellen, sie würden bzgl. Geschlecht und sexueller Orientierung eine Baustelle aufmachen. Diese „Baustelle“ exisitiert schon lange. Dabei wage ich zu behaupten, dass die Ausgrenzung von Homosexuellen aus Gesellschaft / Kirche spätestens dann begann, als die Kirche eine offizielle Moraltheologie gelehrt hat. Gleiches geschah auf dem amerikanischen Kontinent, als die weissen Siedler mit ihrem Moraldenken die Ureinwohner be- und verurteilten. Denn bis zum Auftreten der Siedler gab es bei den First Nations sogenannte Two Spirit People. Das waren dann Männer, die sich als Frauen fühlten, sich wie Frauen kleideten und Aufgaben der Frauen übernahmen. Wenn die Männer auf der Jagd oder auf Kriegszug waren, gehörte es zur Aufgabe der Two Spirit People, die Alten, Frauen und Kinder zu beschützen. Dies funktionierte und war völlig natürlich. Dank der Weissen wurden und werden die Two Spirit People bis heute aus ihren Stämmen ausgegrenzt. Zum Abschluss dieses geschichtlichen Ausflugs noch eine Zusatzinformation: In Sulawesi kennt man sogar 5 Geschlechter – akzeptiert und Bausteine der Gesellschaft.

      Nun muss ich eine Frage stellen: Wie kommen Sie darauf, dass Geschlecht und sexuelle Orientierung im Alltag keine Rolle spielen? Frauen sind unterrepresentiert in den Chefetagen. Frauen können in der Kirche keine Ämter übernehmen. Homosexuelle sollen nicht mehr zur Priesterausbildung zugelassen werden (Äusserung von Papst Franziskus), immer noch gibt es Gewalt gegen Schwule (und letzteres gilt ausdrücklich auch für Deutschland!).

      Ich frage mich, welche Meinung Sie haben, Frau Müller. Wenn Sie denken, dass Homosexualität oder andere Orientierung abnorm ist, dann ist das homophob. Wenn Sie denken, dass LGBTQ-Menschen pervers sind, dann ist das homophob. Wenn Sie denken, dass Homosexuelle auch immer gleich Pädophile sind, dann ist das homophob. Wenn Sie meinen, dass Queer-Leute keinen Beruf wie Kindergärtner/innen oder Lehrer/innen ausüben dürfen, dann ist das homophob. Solange es in den Köpfen der Menschen solche Gedanken und Einteilung gibt, wird die sexuelle Orientierung und das Geschlecht eine Rolle spielen, eine Baustelle sein.

      Zum Schluss noch dies: Die Franziskaner müssen an Fronleichnam die Regenbogenfahne weder vor noch nach dem Kreuz tragen. Das Kreuz, das wichtigste Symbol überhaupt, reicht vollkommen aus. Denn das Kreuz steht für das grösste Opfer, dass Gott für uns Menschen gebracht hat – für ALLE Menschen. Und das aus Liebe.

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