Stille ist nicht gleich Stille. Es gibt die peinliche Stille, wenn der seichte Smalltalk plötzlich verebbt und deutlich wird, dass man sich tatsächlich nichts zu sagen hat. Eine erzwungene Stille, die einschüchtert und Angst macht. Stille kann verunsichern, provozieren und ärgern: „Nun sag doch endlich mal was!“ Für viele Menschen ist Stille bedrohlich, nicht auszuhalten – dann wird sie mit Lärm und Geschwätz totgeschlagen.
Wir machen aber auch andere Erfahrungen: Wie wohltuend ist es, mitten in einem hektischen Tag für ein paar Minuten wirklich zur Ruhe zu kommen und auf die Stille zu hören. Bewusstes gemeinsames Schweigen kann Menschen, über alle Unterschiede hinweg, ebenso verbinden wie ein Gespräch. Wo Geschrei oder ein böses Wort verletzt haben, wirkt Stille oft heilsam und manchmal wahre Wunder. Stille kann sehr kreativ sein, viele wichtige Ideen werden in der Stille geboren. Stille ist dort besonders kostbar, wo einfach die Worte fehlen und jedes Wort nur Schaden anrichten könnte, im gemeinsamen Aushalten von großem Leid etwa oder angesichts des Todes. Stille ist nicht nichts. Sie ist nicht nur ein Mangel, ein Fehlen. Sie ist mehr als Abwesenheit von Worten oder Lärm. Stille kann Raum einer neuen Anwesenheit sein. In der Stille kann ich neu zu mir kommen und bei mir sein (und das ist oft sehr anstrengend!). In vielen Religionen ist die Stille der Raum der Anwesenheit Gottes.
Dennoch ist Stille kein spiritueller Luxusartikel und gehört nicht zu den Einrichtungsgegenständen einer weltabgewandten Innerlichkeit. Wo Lärm verbraucht und kaputt macht, sind Räume nährender Stille überlebensnotwendig, schützenswerte Biotope. Stille kann hochpolitisch sein. Etwa dort, wo sie Zeichen eines Protests wird, der sich nicht damit abfindet, dass die Umstände nun mal so sind, wie sie sind. Oder wo sie in die scheinbar unabänderlichen Zwänge des Faktischen ein störendes Loch reißt für ein Geheimnis, das einfach mehr ist.
Die Zeitschrift ‚Franziskaner‘ lädt ein zum Nachdenken über die Stille. Vielleicht kann die aktuelle Ausgabe aber auch eine Einladung sein, wirklich einmal Stille auszuprobieren und einzuüben. Die lauten Wochen vor Weihnachten, die man früher einmal die „stille Zeit“ nannte, bieten sich dafür an.
Weitere Themen
- Kultur: „Träume zum Leben erwecken“ – ein Interview mit Bimba Landmann
- Aktuelle Debatte: Antisemitismus und die Mitte der Gesellschaft
- Franciscans International: Menschenrechte gelten auch für internationale Konzerne
- Franziskanische Familie: Sant’Isidoro in Rom – ein geschichtsträchtiger Ort.
Kostenlos erhältlich in allen Franziskanerklöstern und Häusern, im Direktversand an tausende Bezieher
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Provinzialat, Zeitschrift Franziskaner,
Sankt-Anna-Strasse 19, 80538 München.
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Da wollte ich gerade diese Seite bei mir abspeichern da entdeckte ich einen orthographischen Gottseibeiuns, beim Besucherhinweis zum Fuldaer Klostergarten. Machen sie sowas immer?
mfg
Grüß Gott Herr Härtel
Ich vermute ihre Verwunderung bezieht sich auf den Kulturtipp in der Zeitschrift auf Seite 4 der Zeitschrift und das dort verwendete „Gendersternchen“ und das Wort Besucher*innen. Das wurde meines Wissens in dieser Ausgabe erstmals im Lektorat benutzt. Ich kann mich selbst auch nicht damit anfreunden …
Auf der Webseite franziskaner.net benutzen wir zur Verallgemeinerung die traditionelle maskuline Form „Besucher“.
Liebe Redaktion, wir freuen uns immer auf Ihre Hefte. Das letzte Heft „Stille“ ist besonders ansprechend und spricht uns aus dem Herzen. Was mich besonders gefreut hat, ist der mutige Artikel „Schmerzgrenze“ von Stefan Federbusch. Erstaunlich für einen Priester. Ich wünsche mir mehr solche mutige Kommentare.