19.11.2022 Pater Thomas Ferencik

Wir sind in seinem Namen unterwegs und sind nicht allein

Zum Fest der heiligen Elisabeth

Als Jugendlicher habe ich in unserer Dreieinigkeitsgemeinde in Halle alles mitgemacht, was man so machen konnte: Ich war bei den Messdienern, habe ein wenig Gitarre gespielt, saß mit dem Presslufthammer auf dem Gerüst bei der Kirchenfassaden-Erneuerung und spielte mit den Anderen Fußball (obgleich ich immer ins Tor musste). Wenn ich überhaupt ein Verständnis von Kirche hatte, dann bezog sich dieses auf die Lauchstädterstr. 14b (die Adresse des Klosters). Hier spielte sich mein christliches Leben ab – wie auf einer Insel der Gottseligkeit.

Doch da war das Jahr 1981. Meine Erinnerungen führen mich auf den Domplatz zu Erfurt. Ich sehe zum ersten Mal den gewaltigen Mariendom und daneben die ebenso prächtige Severikirche. Und ich bin nicht allein. Mit mir sind ca. 40.000 Gläubige aus der ganzen DDR zum 750. Todestag der Heiligen Elisabeth angereist.

Dieser Augenblick im September 1981 führte mich von meiner Gemeinde-Insel hinaus zu einer Kirche, die größer war, als ich bis dahin erlebt hatte. Ich spürte die gewaltige Macht der Masse, gegen die auch ein DDR-Regime keine Antwort wusste. Und irgendwie war ich stolz, Teil dieser Bewegung zu sein.

 

Domberg in Erfurt. Bild von Till Voigt auf Pixabay

Heute blicke ich auf den Anlass dieses Treffens: eine Frau, die gerade einmal 24 Jahre alt wurde, die nicht mit großen Weltvisionen daherkam, sondern sich ganz pragmatisch um die Armen in der Nachbarschaft kümmerte. Und so eine Person schaffte es, dass sich 750 Jahre nach ihrem Tod, Tausende von Menschen versammelten und gemeinsam ihren Glauben bekannten.

Aus dieser Erinnerung möchte ich drei Wünsche zum Elisabethfest formulieren

1. Wir sind nicht allein!

Ich wünsche uns das Bewusstsein, dass wir nicht auf einer kleinen schrumpfenden kirchlichen Insel sind, sondern Teil einer großen Bewegung. Wir dürfen an das „Wunder“ von 1981 festhalten und uns der vielen Orte kirchlichen Lebens gewiss sein, wo Schwestern und Brüder ihren Dienst tun, so wie damals Elisabeth in ihrem Umfeld.

Ich wünsche uns aber auch die Weitsicht, dass es außerhalb unserer kirchlichen und franziskanischen Präsenz Menschen gibt, mit denen wir gemeinsam unsere Lebensinhalte teilen dürfen. Sei es bei der Bewahrung der Schöpfung, dem Engagement für die Armen und Ausgegrenzten oder dem Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit.

2. Wir sind Teil der Gesellschaft und doch Auserwählte.

Als ich damals auf dem Domplatz stand, wurde mir bewusst, dass ich zwar Bürger eines kirchenfeindlichen Staates war, aber als Christ auch etwas Besonderes. Ähnlich erleben wir auch heute eine Zeit, in der es nicht immer gut ankommt, sich als kirchlich zu outen. Gerade deshalb wünsche ich uns ein erstarktes Selbstverständnis, dass wir von Gott Berufene und Auswählte sind. Elisabeth wurde damals auch angefeindet und kritisiert, aber sie hat durchgehalten und den Armen geholfen. Etwas Besonderes sein, auserwählt, berufen… Ich glaube, gerade in unserer Zeit brauchen wir dieses Selbstbewusstsein einmal mehr.

3. Das Kleine hat Gott erwählt – aus Klein mach Groß.

Die Zeit der großen Kirchenauftritte mag sich in Deutschland dem Ende nähern. Aber das bedeutet nicht, dass wir uns zurücklehnen und alles seinen Lauf lassen. Ich wünsche uns einen achtsamen Blick auf das Kleine in unserem Alltag. Und ich wünsche uns das Vertrauen, dass Gott aus dem Samenkorn unseres Handelns viele Früchte reifen lässt, wie bei Elisabeth. Ihr oft stilles und verborgenes Handeln wurde von 40.000 Gläubigen gewürdigt, weil Gott sich das Kleine erwählt hat. Ich wünsche uns das Verständnis, dass unser christliches und franziskanisches Handeln, sei es auch noch so unscheinbar, wichtig und gut ist. Wir sind in seinem Namen unterwegs und sind nicht allein: denn „Gott hat unter uns sein Haus gebaut – er wohnt in unserer Welt“ (C.P. März).


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