24.12.2022 Bruder Martin Lütticke

Der Gloriakranz: Das Ziel ist nicht die vierte Kerze

Ein Weihnachtsimpuls

Volk gezählt – Stall gefunden – Jesus geboren: Die Einladung, die Weihnachtsgeschichte in nur sechs Wörtern aufzuschreiben, ist mir in diesem Advent an mehreren Stellen begegnet. „Ups!“, habe ich gedacht, das ist ja mal eine Anregung für uns Prediger – Weihnachtspredigt in nur sechs Wörtern – Ich glaube, das trau ich mich nicht. Selbst sechs Minuten reichen vermutlich nicht aus. Und dieser Impuls zum Weihnachtsfest wird auch deutlich mehr als sechs Worte haben …

Mich begleitet in dieser Adventszeit auch der Kranz in unserer (zweiten) Kirche St. Bonifatius in Dortmund. Er hängt mit seinen über zwei Metern Durchmesser im vorderen Kirchenschiff von der hohen Decke herunter.

 

Der Gloriakranz in der St. Bonifatius Kirche in Dortmund

Ich kenne den Kranz, seit ich 2017 meine erste Adventszeit in St. Bonifatius gefeiert habe. Erst in diesem Jahr habe ich gelernt, dass er etwas ziemlich Einmaliges ist. Zumindest beschreibt ihn eine Broschüre „Heimatpflege in Westfalen“ als Unikat.

Ich habe gelernt, dass er auch den Namen ‚Gloriakranz‘ trägt. Bisher war er ‚der Adventkranz‘. Vier Kerzen zieren ihn, jede Woche wird eine mehr angezündet, so wie wir das kennen. An Weihnachten bleibt der Kranz aber hängen, acht zusätzliche Kerzen kommen drauf und in der Weihnachtszeit leuchtet er dann mit der Fülle der zwölf Kerzen.

Die Botschaft des ‚Gloriakranzes‘: Das Ziel ist nicht die vierte Kerze, ist nicht der Stall in Betlehem, ist nicht die Geburt des Jesuskindes. Das Ziel ist die Fülle der zwölf Kerzen. Das Ziel ist derjenige, bei dessen Geburt die Engel gesungen haben „Gloria in excelsis Deo – Ehre sei Gott in der Höhe“. Das Ziel ist derjenige, der gesagt hat „Ich bin gekommen, damit sie das Leben habe und es in Fülle haben.“ (Joh 10,11)

Wenn die vierte Kerze brennt, ist nicht der Zielpunkt erreicht, sondern es geht weiter. Es ist nicht so, wie es das flapsige Sprichwort sagt: „Wenn die fünfte Kerze brennt, dann hast du Weihnachten verpennt“, sondern „Wenn alle zwölf Kerzen brennen, dann verweist das auf die Fülle des Lebens, die uns in Jesus Christus verheißen ist.“

Mir hilft dieser Gedanke, um den Advent nicht nur als Vorbereitung auf die ‚erste Ankunft‘ Jesu, auf die Geburt des Kindes im Stall von Betlehem zu sehen, sondern als Vorbereitung auf die ‚zweite Ankunft‘ Jesu, sein Wiederkommen in Herrlichkeit. Mir macht dieser Kranz deutlich, dass wir noch weit von der Fülle des Lebens entfernt sind, dass uns aber diese Fülle verheißen ist und wir danach streben, mit unserer kleinen Kraft, Fülle des Lebens für alle zu ermöglichen. Mir hilft dieser Kranz und seine Botschaft, mich daran zu erinnern, dass wir nicht in erster Linie ein zweitausend Jahre zurückliegendes Ereignis feiern, sondern etwa Aktuelles, etwas, dass mir – heute – zugesagt ist und das durch mein Leben eingeholt werden muss.

In diesem Sinne bringt der ‚Gloriakranz‘ ins Bild, was die bekannte erste Zeile eines Gedichtes von Angelus Silesius formuliert: „Wird Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.“

…und die Weihnachtsgeschichte in sechs Wörtern?

Ich habe zwei:

Leben in Fülle – verheißen für alle

Und

Mensch geworden – Schöpfung vollendet – Welt gerettet

 


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