18.12.2020 Bruder Helmut Schlegel

Damit auch in diesem Jahr ein Stern aufgeht

<> Der Kommentar der Woche.

Oft ist das, was uns beschäftigt, uns sorgt und uns Angst macht, auch die Quelle für das, was jetzt dran ist. Mit dem Blick auf die Welt aus ihrer Perspektive kommentieren die Franziskaner jeden Freitag, was sie wahrnehmen.


Bruder Helmut Schlegel

Liebe heilige Corona, ich hoffe, dass ich dich nicht bei den himmlischen Vorbereitungen auf das bevorstehende Geburtstagsfest störe, aber erlaube mir, dass ich dir einen offenen Brief zu Weihnachten schreibe. In der Regel werden offene Briefe geschrieben, um den Adressaten gehörig die Meinung zu sagen. Dazu habe ich keinen Grund. Du bist absolut unschuldig an dem, was sich auf unserer guten alten Erde gerade abspielt.

Mit der Frage: wer ist schuldig? machen wir‘s uns auf der Erde wieder mal so leicht wie Kinder auf dem Schulhof, die eine Fensterscheibe eingeballert haben: Ich war‘s nicht, der da war‘s. – Die Chinesen waren’s, sagen einige. Die Forscher haben nicht aufgepasst, meinen andere. Der liebe Gott mag uns nicht mehr – auch das ist zu hören.

Ach ja, es ist das alte Spiel, das gab’s ja schon im Paradies: Adam sagt: die Frau war’s. – Nein, nicht ich, sagt die Frau, die Schlange ist schuld. Aber der Herr ließ die Ausreden nicht durchgehen. Tut er gewiss auch heute nicht. Fakt ist: wir sind selbst schuld an der Misere. Das Virus überträgt sich von Tieren auf Menschen, sagen Fachleute. So, wie wir heutzutage mit Tieren umgehen, kann das niemand wundern. Sogar im Stall von Betlehem, wo es wahrhaftig eng zuging, war mehr Platz für Ochs und Esel als in den Gitterkäfigen, in denen unsere Nutztiere ihr Chemiefutter hinunterwürgen. Da hat es das kleine Covid 19 doch ziemlich leicht: es lässt sich durchschnaufen von Tier zu Tier zu Mensch zu Mensch. Und schon ist sie gemacht, die Pandemie. Menschengemacht.

Liebe heilige Corona, dass etliche Erdbewohner nicht an den Himmel glauben und euch Heiligen für verrückt halten, das ist allseits bekannt. Aber bei uns gibt es Menschen, die glauben nicht einmal an das Virus. Auch wenn täglich Hunderte daran sterben, glauben sie’s nicht. Da sei eine Verschwörung zugange, sagen sie. Manche von ihnen gehen für ihre abstruse Theorien auf die Straße und nennen sich „Querdenker“. Ich finde, das ist eine Beleidigung für alle, die für ihre Überzeugung ihr Lebens riskiert haben – so wie du. Du warst gerade mal 16 Jahre alt, da musstest du mitansehen, wie der Statthalter einen Untergebenen foltern ließ, nur weil der zu seinem Glauben stand. Du hast dem Tyrannen die Stirn geboten; das musstest du mit dem Leben bezahlen. Vor dir und vor vielen anderen Querdenkerinnen und Querdenkern der Geschichte habe ich großen Respekt. Jene, die heutzutage ohne Maske und Abstand die Gesundheit ihrer Mitmenschen gefährden, denken nicht quer, sie denken überhaupt nicht.

Nun feiern wir ja auch in diesem düsteren Jahr das Geburtsfest unseres Erlösers. Wie ihr im Himmel feiert, weiß ich nicht. Wir hier auf der Erde tun uns schwer, so einfach „O du fröhliche…“ zu singen. Tausende liegen in den Intensivstationen und werden beatmet. Andere haben nicht einmal an den Festtagen ein Bett oder eine warme Mahlzeit. Ich könnte jetzt eine lange Liste aufmachen mit den vielen Leiden der Menschen und der Kreaturen, aber du hast das vom Himmel aus wohl besser im Blick. Ich und viele andere können froh und dankbar sein: wir haben ein Bett und ein warmes Essen und vieles mehr. Ich frage mich, was sich das Geburtstagskind in diesem Jahr zu Weihnachten wünscht. Ich sehe es lächeln und sagen: Du weißt es doch. Lies nach bei Matthäus 25, 40! Ach ja – „Was ihr dem Geringsten…“ Das Kind, das selbst in einem windschiefen Stall vor Betlehem geboren wurde und jahrelang auf der Flucht war, wünscht sich nichts anderes, als dass wir uns um die Kranken und Gefährdeten, die Hungernden und Traurigen, die allein Gelassenen und Geflüchteten kümmern. – Dann wird auch in diesem Jahr ein Stern aufgehen über der Erde.


Der Blick zurück, der Blick nach vorne, und der Blick nach innen.
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