Bernd Schmies, Fachstelle Franziskanische Forschung

Klöster der ersten Stunde mit langer Geschichte

800 Jahre franziskanische Geschichte in Deutschland - Teil 5

Die Franziskanerbrüder im Garten des Halberstädter Klosters. Bild Deutsche Franziskanerprovinz.

In der 800jährigen Geschichte der Franziskaner in Deutschland haben die Brüder viele Hunderte Konvente gegründet. Allein die 2010 in der Deutschen Franziskanerprovinz aufgegangene Sächsische Provinz kommt auf über 280 Niederlassungen im Verlauf ihrer Existenz zwischen 1223/1230 und 2010. Immer wieder erlebten die Provinzen Phasen des Aufbruchs und der Expansion mit vielen Neugründungen, etwa im 15. Jahrhundert durch die großen Reformbewegungen des Ordens ausgelöst, aber auch Niedergang und teilweise regelrechte Zusammenbrüche, verursacht durch Reformation, Säkularisation und Kulturkampf. In Anbetracht dieser wechselhaften Geschichte verwundert es kaum, dass neben Klöstern mit einer traditionsreichen, bisweilen Jahrhunderte umfassenden Historie, Häuser mit einer kaum über eine Brüdergeneration hinausreichende Dauer bestanden. Die Geschichte der Franziskaner in Deutschland besteht zwar aus mehr als der Geschichte der einzelnen Klöster, doch nahmen einige von ihnen eine herausragende Position ein, die sie zu Erinnerungsorten ihrer Provinzen werden ließen. Zu diesen Klöstern der ersten Stunde mit langer Geschichte gehören Würzburg, Köln und Halberstadt, deren Anfänge hier anhand der Chronik des Jordan von Giano vorgestellt werden sollen.

Das Würzburger Franziskaner-Minoritenkloster ist nur wenige Wochen nach Ankunft der Brüder in Deutschland entstanden. Von Augsburg aus, der ersten Station diesseits der Alpen für die Brüderschar, schickte der Provinzialminister Cesarius von Speyer Ende Oktober 1221 Johannes von Piano di Carpini und Barnabas nach Würzburg. Wie zuvor schon andernorts, sollte das Duo in Würzburg die Ankunft der ihnen nachfolgenden Brüder vorbereiten, indem sie sich den Menschen vorstellten, predigten und Unterkünfte besorgten. Als Cesarius selbst wenig später in der Stadt eintraf, konnte er bereits drei Männer in den Orden aufnehmen: Hartmut, der dem Tagesheiligen gemäß den Ordensnamen Andreas annahm, Rodeger, der zum geistlichen Lehrer der heiligen Elisabeth von Thüringen werden sollte sowie ein Laie namens Rudolf. Die meisten der genannten Brüder hielten sich nicht lange in Würzburg auf, sondern zogen ihrem Selbstverständnis und den ihnen erteilten Aufgaben entsprechend weiter in andere Städte und Gegenden. Dennoch ist davon auszugehen, dass in Würzburg seit November 1221 dauerhaft Franziskaner lebten. Schon 1224 versammelten sich die Brüder zu einem Kapitel in der Stadt, dessen Franziskanerkloster noch oftmals Austragungsort dieses für das Leben der Provinz so wichtigen Gremiums sein sollte. Mehr berichtet Bruder Jordan von Giano nicht über die Anfänge seines Ordens in Würzburg und so bleibt vieles im Dunkel. Wo genau die erste Unterkunft lag, ist nicht mit Sicherheit zu klären, doch ist eine örtliche und spirituelle Nähe zu in Gemeinschaft lebenden religiösen Frauen, sogenannten „Beginen“ aufgrund der Quellenlage anzunehmen. Erst mit dem aus Platzgründen vollzogenen Umzug an den endgültigen Standort 1249, fließen die Quellen dann kontinuierlich und dokumentierten die für die Franziskaner in Deutschland einmalige Geschichte. Das Würzburger Kloster zählt nicht nur zu den ersten Gründungen, sondern ist der einzige ununterbrochen bestehende Franziskaner-Konvent in Deutschland und schaut deshalb in diesem Jahr auch auf eine 800jährige Geschichte zurück.

In Köln, der größten deutschen Stadt im Mittelalter, siedelten sich die Franziskaner nach Auskunft Jordans 1222 dauerhaft an. Wie bereits in Würzburg, hatten Johannes von Piano di Carpini und Barnabas auch in der Rheinmetropole noch vor dem Jahresende 1221 begonnen, die Ankunft des Provinzials und weiterer Brüder vorzubereiten. Johannes von Piano di Carpini kehrte 1224 nach Köln zurück, nachdem er zwei Jahre unermüdlich für die Ausbreitung des Ordens zunächst entlang des Rheins und anschließend in Sachsen unterwegs gewesen war. Eine erste urkundliche Nachricht über die Kölner Franziskaner liegt für 1229 vor. In der Urkunde wird die Überlassung eines Grundstücks im Gebiet der Pfarrei St. Severin geregelt, damit die Brüder dort ein „Oratorium“, also einen Gebetsraum bauen konnten. Der Bau der eigentlichen Klosteranlage erfolgte erst 1244/1245 nach einem Umzug in den Pfarrbezirk St. Kolumba. Von Kölner Bürgerfamilien gefördert, entwickelte sich der Konvent rasch zum Mittelpunkt der 1239 gegründeten Kölnischen Provinz. Dazu trug das 1260 eingerichtete Generalstudium wesentlich bei, das das Kloster zum Bildungs- und Ausbildungszentrum der Provinz machte, an dem mit Johannes Duns Scotus einer der bedeutensten Theologen und Philosophen des Ordens unterrichtete. Der Konvent wurde nach 580 Jahren unter französischer Besatzung 1802 aufgehoben, doch sind die Franziskaner-Minoriten seit 1958 wieder in St. Kolumba aktiv. Für eine weitere franziskanische Präsenz in Köln sorgten die Franziskaner-Observanten, die seit 1890 und bis 2019 an verschiedenen Orten in der Stadt präsent waren.

Das im nördlichen Harzvorland gelegene Halberstadt erreichten die Brüder 1223. Als Kustos von Sachsen war wieder Johannes von Piano di Carpini maßgeblich an der Gründung beteiligt. Auch der Chronist Jordan kannte das Kloster und die Stadt gut, denn hier diktierte er 1262 einem Mitbruder sein Wissen über die Anfänge des Ordens speziell in Deutschland. Als Mittelpunkt der Halberstädter Kustodie besaß das Kloster eine regionale Bedeutung für die Sächsische Provinz, doch erst im Zuge der Reformation erlangte das Kloster einen außerordentlichen Rang für die Provinz. Am Vorabend der Reformation galt die Sächsische Provinz mit ungefähr 100 Klöstern als konventstärkste und zugleich flächengrößte Provinz des Franziskanerordens. Im Kerngebiet der Reformation gelegen, blieb Ende des 16. Jahrhunderts Halberstadt als einziges Kloster der Provinz übrig. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war schließlich die Gemeinschaft personell soweit ausgezehrt, dass 1603 nur noch der fast achtzigjährige Pater Johannes Meyer und der jüngere Johannes Tetteborn das baufällige Kloster bewohnten. Während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) kam es dann mit Hilfe der Kölnischen Franziskanerprovinz zur Wiederbelebung der Sächsischen Provinz, die aber territorial neu zugeschnitten wurde. Einzige Konstante der Provinz blieb das Halberstädter Kloster, das aufgrund der Säkularisation 1814 aufgelöst, 1920 jedoch wiederbegründet und 2019 erneut aufgegeben werden musste.


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