21.10.2021 Tobias Rauser / Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Deutsche Kapuzinerprovinz

800 Jahre Minderbrüder

Interview mit Br. Cornelius Bohl beim interfranziskanischen Mattenkapitel in Würzburg

Bruder Cornelius Bohl, Provinzialminister der Deutschen Franziskanenerprovinz von der Heiligen Elisabeth.
Bild von Tobias Rauser

Br. Cornelius, sind 800 Jahre Minderbrüder ein Grund zu feiern?

Das finde ich schon! Ich bin überzeugt, dass uns das franziskanische Charisma auch heute noch eine ganze Menge zu sagen hat und zeigen kann. Franziskanisches Leben in Deutschland ist vielfältig und bunt und wertvoll und für mich auf jeden Fall ein Grund zu feiern.

Was kann uns der Aufbruch von vor 800 Jahren heute sagen?

Damals kamen etwa 30 Brüder über die Alpen. Auch wenn wir uns heute natürlich nicht in einem Aufbruch befinden, leider: Wir sind noch mehr als 30 Brüder! Wir sollten nicht nur auf die Zahlen starren, sondern mit den franziskanisch inspirierten Menschen in Deutschland mutig und gerne das leben, was uns möglich ist. Unsere Brüder damals haben ehrlich und überzeugt ihren Glauben gelebt. Das haben die Menschen verstanden. Und darum geht es doch auch heute. In einer Zeit, in der Gesellschaft und Kirche müde geworden sind, sollten wir Franziskaner das Evangelium so leben, dass der Funke wieder überspringt.

Sie sprechen die Müdigkeit der Amtskirche an. Können die Franziskaner belebend wirken?

Natürlich sind auch wir Franziskaner in unseren Strukturen gefangen. Auch bei uns gibt es Müdigkeit. Dennoch: Von den Orden ging in der Geschichte der Kirche immer etwas Innovatives aus. Ich bin überzeugt: Wir Franziskaner können gerade heute ein belebendes Element sein und Impulse geben.

Was ist das typisch franziskanische Charisma?

Ich sage jetzt nicht: Das Evangelium leben. Natürlich geht es immer um das Evangelium. Aber die entscheidende Frage lautet doch: Wie geht das praktisch? Was heißt das konkret? Ich denke, wir müssen wirklich bei den Menschen sein. Mindere Brüder, die bei den kleinen Leuten sind. Ihre Sprache sprechen, Brüder des Volkes. Dazu kommt die Sorge um das gemeinsame Haus der Schöpfung, ein einfacher und nachhaltiger Lebensstil, der interkulturelle und interreligiöse Dialog. Das sind alles urfranziskanische Themen.

Welche Unterschiede gibt es heute noch zwischen Franziskanern, Minoriten und Kapuzinern?

In allen wesentlichen Dingen sind wir uns ähnlich und wollen das Gleiche. Wenn Sie ein Bild wollen: Wir schreiben alle den gleichen Text, nur die Handschrift ist verschieden.

Es gibt auf jeden Fall ähnliche Probleme. Welche sollte man gemeinsam angehen?

Es wäre schön, wenn wir ein gemeinsames interfranziskanisches Projekt auf die Beine stellen könnten. Aber was ich noch viel wichtiger finde: Wir Brüder Franziskaner, Minoriten und Kapuziner sollten uns gegenseitig bestärken, auch in der Freude an unserer Berufung. Gemeinsam eine Vision zu entwickeln, was heute franziskanisch leben heißt.

Wenn wir den Blick nach vorne werfen, vielleicht zwanzig Jahre? Wie sieht der Orden dann aus?

Das ist eine gute Frage, die habe ich jetzt bei der Visitation auch unseren Brüdern gestellt. Niemand kann die Zukunft vorhersagen. Orden und Kirche werden in Deutschland noch sehr viel kleiner werden. Wir werden einen Großteil unserer doch komplexen Strukturen aufgeben müssen. Aber damit werden wir auf Dauer auch flexibler und können vielleicht mit leichterem Gepäck wieder neu anfangen.

Nicht mehr alleine, sondern mit anderen Partnern?

Auf jeden Fall. Kooperation und Zusammenarbeit sind Zeichen der Zeit. Wir Brüder haben das franziskanische Charisma nicht gepachtet. Wir werden in Zukunft nur gemeinsam mit sehr unterschiedlichen Menschen leben und arbeiten. Das ist nicht immer einfach, aber auch nichts, vor dem ich mich fürchte. Das ist eine Chance.

Was nehmen Sie vom interfranziskanischen Mattenkapitel in Würzburg mit?

Mir bleibt ein kurzes Wort des Papstes, das hier auf dem Mattenkapitel zitiert wurde: Avanti! Los, fangt an! 800 Jahre Franziskaner, dieses historische Jubiläum ist ein Auftrag für die Zukunft. Wir sollten uns an die Aufgaben machen, die heute dran sind.

 


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